Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Gebet und zur Reinigung nutzen, seinen Geist stärken und die Seele wappnen.«
Lhiannon fragte sich, was das nützen sollte. Sie hatte genug Krieg erlebt, um zu wissen, dass ein Bauer, dessen Hände es gewohnt waren, die Egge zu schwingen und nicht das Schwert, allenfalls taugte, die hintere Kampflinie auszufüllen. Ein Schwert führen zu können erforderte ständige Übung. In Eriu wurden die Druiden oft gebeten, Stürme oder Geister gegen die Heere zu rufen, mit denen ihre Könige im Krieg lagen. Doch nur wenige der hier versammelten Druiden – wie etwa Ardanos und ich, dachte sie erbittert – haben tatsächlich schon Schlachten erlebt.
Völlig versunken in ihren Gedanken, merkte sie plötzlich überrascht, dass das Treffen zu Ende war. Und ehe sie etwas einwenden konnte, hatte Coventa sie in den Kreis gezogen, der sich um Ardanos und Helve scharte.
»Ist deine Familie auch hier?«, fragte sie höflich, als Ardanos, der Erzdruide, sich zu ihr umdrehte. »Ich hoffe sehr, dass es ihnen gut geht.«
Ardanos’ Züge entspannten sich. »Ja, es geht ihnen in der Tat gut, sie sind in Sicherheit, den Göttern sei Dank. Sie sind bei Sciovanas Familie im Land der Durotriger. Meine kleine Rheis wurde im letzten Jahr an Bendeigid verheiratet und erwartet ein Kind.«
Lhiannon kniff die Augen halb zu, zählte im Geiste die Jahre, denn es schien ihr wie gestern, als sie nach Mona zurückgekehrt war und festgestellt hatte, dass Ardanos verheiratet war und ein kleines Kind hatte. Aber die Welt hatte sich natürlich weitergedreht, während sie in Eriu gewesen war. Auch Boudiccas Töchter mussten inzwischen im heiratsfähigen Alter sein, dachte sie.
Als er seinen Namen aufschnappte, blickte Bendeigid auf. Lhiannon erkannte sogleich, dass in diesem muskulösen Körper noch immer der aufgeweckte Bursche von damals steckte, der auf Bäume kletterte, um Rabennester auszuspähen – so wie auch irgendwo tief in ihr noch das Mädchen war, dessen Herz einst für Ardanos gebrannt hatte. Und sie wusste: Auch in ihm glomm irgendwo noch ein kleines Feuer für sie, trotz der schützenden Mauer, die er um sich gezogen hatte.
Von daher war sie nicht überrascht, als er sie nach dem Abendessen aufsuchte.
»Lass uns ein Stück gehen, Lhiannon.«
Sie sah ihn unsicher an, erinnerte sich daran, wie es gewesen war, als sie das letzte Mal allein gewesen waren. Als er ihre Gedanken las, sah er weg.
»Du musst keine Angst haben.« Seine Stimme klang zugeschnürt. »Ich werde nichts sagen, was nicht die ganze druidische Gemeinschaft hören könnte, aber da ich mir wünsche, mit dir offen über Dinge zu sprechen, die sie betreffen, wäre es mir lieber, dies außer Hörweite zu tun.«
»Also schön, mein Herr«, erwiderte sie. »Sobald ich meine Dinge hier erledigt habe, komme ich mit dir.«
Er führte sie den Pfad zur Küste hinunter. Die dunklen Wasser der Engen Meeresstraße lagen glatt und still im Schein des jungen Mondes; sie verbargen die Kraft der darunter liegenden Strömung, doch die Flut kam bereits herein, und kleine Wellen schwappten sacht an den Strand, reichten immer näher heran. Die Klippen auf der anderen Seite waren dicht bewaldet. Auf dem Hügel dahinter war ein leuchtend kleiner Punkt zu sehen – das Feuer eines Schäfers. Es war schwer, sich vorzustellen, dass diese Wasser bald rot von Blut sein würden.
»Du hattest recht, mich vorhin mit ›mein Herr‹ anzureden«, sagte Ardanos. »Das Herz des Mannes, der dich liebt, rät mir, dich fortzuschicken, solange das noch geht, doch der Erzdruide in mir gehorcht anderen Geboten. ›Mein Heer‹ hast du ja gesehen«, fügte er bitter hinzu. »Es sind gute Priester und Priesterinnen, die meisten jedenfalls, doch sind sie in die magischen Künste nicht eingeweiht. Helve, so wenig du sie auch magst, hat diese magische Kraft. Ebenso wie Coventa. Und wenn jemand diese Kraft zu lenken vermag, dann sie. Die meisten von uns, die in diese Künste eingeweiht waren, gingen in jungen Jahren fort, um den Kriegern zu helfen, und starben. Aber du, Lhiannon, warst die fähigste Priesterin deiner Generation. Wir werden dich hier dringend brauchen. Um unserer Gemeinschaft willen bitte ich dich zu bleiben.«
»Wie stehen unsere Aussichten?«, fragte sie.
Ardanos seufzte. »Dieser Paulinus, der Feldherr, macht mir Kopfzerbrechen. Ich fürchte, er ist ein neuer Caesar. Er scheut keine Gefahr und erringt Sieg um Sieg. Seine Götter müssen ihn lieben. Eigentlich hätte er schon tausend Tode
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