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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Körper in dem großen Bett lag, ihr Geist aber hellwach war und sich in ihr Sinne regten, die sie für gewöhnlich nicht besaß.
    »In den Festungen fertigen die Schmiede Schwerter und schleifen Speere«, antwortete ein anderer Rabe.
    »Bald wird uns die Königin Menschenfleisch schenken …«, krächzte ein weiterer.
    Das soll mir nur recht sein, dachte Boudicca in ihrem gegenwärtigen Zustand.
    »Meinst du das auch wirklich, mein Kind?« Eine weitere Stimme fiel ein, honigsüß, mit einem unterschwelligen, bitteren Lachen. »Dann ist ja gut, denn wir haben viel zu tun.«
    Die Stimme war nicht die eines Raben. Boudicca versuchte, die Augen zu öffnen, war aber zu jeglicher körperlichen Regung völlig unfähig. »Wo bist du?«
    »Ich bin ganz nah bei dir, so nah wie dein Herzschlag«, antwortete die Stimme.
    »Wer bist du?«, wisperte Boudicca, ohne die Lippen zu bewegen.
    »Ich bin der Zorn.« Die Stimme hallte durch ihre Seele. »Ich bin die Zerstörung. Ich bin der Rabe der Schlacht …«
    »Du bist Morrigan«, erwiderte Boudicca. »Du hast meine Mädchen gerächt!«
    »Aber wer wird dein Volk rächen?«, fragte die Göttin, und Boudicca fand keine Antwort.
    Pollio hatte recht gehabt – der Friede unter Prasutagos hatte ein Ende. Jetzt blieb nur noch eine Wahl – Sklaverei oder Aufstand. Das eine würde den lebendigen Tod bedeuten. Das andere konnte den Tod bringen – barg aber auch Ruhm in sich.
    »Wenn du mir sagst, welche Gestalt ich annehmen soll«, sagte die Göttin, »dann werde ich dir Macht verleihen …«
    »Und du wirst die Römer strafen für alles, was sie uns angetan haben?«, fragte sie. Die Männer, die ihre Töchter vergewaltigt hatten, waren tot, gut, aber die, die sie entsendet hatten, waren am Leben und herrschten noch immer. Wie viele Mütter würden noch um die verlorene Unschuld ihrer kleinen Mädchen weinen müssen, wenn niemand etwas dagegen tat?
    »Sie werden in Angst und Schrecken schreien und winseln und ihre Götter vergeblich anrufen …«
    »Und wir werden den Sieg davontragen?«
    »Du bist der Sieg, und dein Name wird überdauern!«
    Vor dieser Entscheidung hatte sie schon einmal gestanden – damals, als sie in der Gestalt der Weißen Stute auf Prasutagos zugegangen war. Damals hatte sie sich freudig in ihr Schicksal gefügt. Jetzt fügte sie sich vor Kummer in das Unabänderliche.
    »Ich ergebe mich deinem Willen wie das Pferd seinem Reiter«, sagte Boudicca. »Benutze mich nach deinem Willen!«
    »Eine widerspenstige, eigensinnige Stute sollst du sein«, antwortete die Stimme. »Aber stark. Schlaf jetzt, mein Kind, und werde gesund.« Das Lachen, das Boudicca vernahm, klang leise und sanft, als sie hinabglitt in ein tiefes Dunkel und der Schlaf über sie kam.
    Boudicca saß im Rundhaus, hielt Argantilla in den Armen und beobachtete Rigana, die unruhig hin und her ging. Eigentlich hätte sie auch Rigana gern im Arm gehalten, doch das Mädchen war angespannt wie ein Schießbogen, wich vor jeder Berührung zurück. Argantilla zitterte, ihre Augen weinten stille Tränen. Boudicca biss sich auf die Lippen, drückte sie noch fester an sich. Die Wunden auf ihrem Rücken schmerzten sie nicht so sehr wie das Leid ihrer Kinder.
    Draußen, vor dem Haus der Frauen, schwoll der Lärm der Menge an und ebbte wieder ab – wie der Wind. »Ich werde gleich hinausgehen und mit ihnen reden müssen«, sagte sie sanft. »Willst du mitkommen?«
    Argantilla schauderte, vergrub das Gesicht an der Schulter ihrer Mutter. Rigana drehte sich um, atmete schwer.
    »Wie kannst du so etwas fragen? Das sind Männer dort draußen! Die werden uns anstarren und wissen …«
    »Die werden euch ansehen und ihre eigenen Töchter in euch erblicken«, entgegnete Boudicca. »Und sie werden mich ansehen und ihre eigenen Frauen in mir erblicken. Sie werden die gleiche Ohnmacht empfinden wie ich, als ich euch nicht schützen konnte, wie ihr, als ihr mir nicht helfen konntet, und dafür werden sie sich rächen wollen …«
    »Mehr als du dich schon gerächt hast?« Riganas Blick war bohrend. »Ich habe in dein Gesicht gesehen, als du dieses Biest von mir gezerrt hast – aber das warst nicht mehr du, Mutter, oder?«
    »Es war … die Morrigan.« Boudiccas Atem stockte. Allein beim Aussprechen dieses Namens wurde ihr deren Gegenwart in ihrem tiefsten Innern bewusst.
    »Wird sie wiederkommen? Wird sie uns anführen gegen die Römer?« Rigana hielt schließlich inne, starrte ihre Mutter mit rachsüchtigen Augen an.

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