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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Argantilla war stocksteif, hatte aufgehört zu weinen.
    »Sie wird wiederkommen …« Boudicca hörte, wie ihre eigene Stimme plötzlich viel tiefer klang. »Sie ist schon hier …« Die heilenden Wunden auf ihrem Rücken prickelten, das Brennen kühlte ab, als sich ganz langsam ihr Bewusstsein trübte. Gleich, dachte sie … gleich würde sie sich verwandeln und ihre Schwingen ausbreiten …
    Sie spürte ein Kribbeln, fühlte das andere Wesen, das durch ihren Schädel wogte, ihren Körper durchströmte, sich streckte, dehnte und drehte, bis die Göttin sich nach und nach ihrer bemächtigt hatte. Genau so, dachte sie mit einem inneren Schmunzeln, machte sie sich ein neues Pferd gefügig, bis sie gewiss war, dass es gehorchte. Bogle, der quer über der Türschwelle lag, stand unvermittelt auf, stellte Hals- und Rückenhaare auf und blickte gespannt aus seinen dunklen Augen.
    »Willst du mit mir kommen?« Sie erhob sich, bewegte mit einem Arm Argantilla zum Aufstehen und streckte den anderen nach Rigana aus. Und als Rigana ihr entgegenlief, sich in ihre schützenden Arme warf, empfand Boudicca bloße Dankbarkeit darüber, dass der Göttin gelungen war, was sie nicht vermocht hatte – den Mädchen Schutz und Trost zu geben. »Ihr sollt meine Begleiter sein, und du …« Die Göttin schnalzte mit den Fingern, und Bogle schwänzelte vor ihre Füße. »… mein Jagdhund.«
    Boudiccas Bewusstsein kam und schwand, als sie aus dem Haus der Frauen traten und über den Ehrenhof gingen. Die Nacht war bereits hereingebrochen, und Fackeln flackerten überall. Hinter der Umwallung ragten die aufgereihten Baumstämme schattenhaft auf wie ein schützender Wald, hoben sich vor dem glitzernden Sternenhimmel dunkel ab.
    Vor dem Ratsgebäude hatten die Männer ein Podest errichtet, das seitlich begrenzt war von einer Reihe von Pfählen. Als sie am ersten vorbeigingen, knurrte Bogle plötzlich, und da erkannte sie, dass das dunkle Gebilde, das auf der Pfahlspitze saß, Pollios Kopf war. Und von den anderen Pfählen daneben grinsten seine Legionssoldaten. Brangenos hatte Boudicca gar nicht erzählt, dass sie die Köpfe abgetrennt hatten, bevor sie die toten Körper vergruben. Aber vielleicht hatte er es selbst ja gar nicht gewusst. Die meisten der Köpfe hatten keine Augen mehr – was ihr eine bittersüße innere Genugtuung bereitete, denn so waren die Raben schließlich doch noch zu ihrem Festschmaus gekommen.
    Als sie auf das Podest stiegen, verstummte das Gemurmel der Menge. Prasutagos hatte die Wehranlage für derlei Versammlungen ausgerichtet, aber den Göttern sei Dank, dass er nie hatte erleben müssen, aus welchem Anlass diese Menge nun zum ersten Mal hier zusammenfand. Im flackernden Schein der Fackeln erschienen vor ihr vertraute Gesichter und verschwanden dann wieder – Brocagnos, Drostac und der alte Morigenos. Sie sichtete auch Rianor, der kurz nach dem Begräbnis des Königs eingetroffen war, daneben Brangenos. Als die Römer gekommen waren, da waren die beiden gerade unterwegs gewesen, um ein krankes Kind zu behandeln. Tingetorix, der unter Caratac gekämpft hatte, stand neben Carvilios und Taximagulos. Etwas überrascht entdeckte sie auch die Gesichter von Segovax und seinen Söhnen Beric und Tascio. Segovax gehörte einst zu den reichsten Icenern, und sie hätte eigentlich gedacht, dass er auf Seiten der Römer war – aber da fiel ihr ein, dass sie gehört hatte, sein Reichtum fuße auf römischen Geldhilfen. Catus musste also versucht haben, die Anleihen wieder einzutreiben.
    »Männer der Icener!« Die Stimme, die hinaus in die Nacht schallte, war die von Boudicca, doch die Männer erstarrten, stierten sie mit großen Augen an, als fühlten sie die Macht, die darin schwang. »Söhne der Epona – ihr habt mich erwählt als eure Königin, als eure Priesterin vor den Göttern, auf dass ich euch führe und dies Land beschütze!« Sie hatte sich mit Sorgfalt gekleidet, das rotgoldene Haar hochgebunden und mit goldenen Nadeln festgesteckt. An ihren Ohren baumelten goldene Kugeln, und um ihren Hals prangte der wertvolle Ring, den Caratac ihr zehn Jahre zuvor in Verwahrung gegeben hatte. »Ich schwöre, die Gesetze zu halten, die der gütige König Prasutagos geschaffen hat, und die Schwüre zu halten, die er gegenüber dem Kaiser von Rom abgelegt hat.
    Aber seht, wie die Römer ihre Ehre verraten haben! Viele unter euch haben bereits gelitten unter ihrer Gier – Drostac, dir haben sie all dein Vieh genommen –, Brocagnos

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