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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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unsere schnellsten Pferde nimmst und nach Norden reitest. Sende Spähtrupps aus, um zu erkunden, über welchen Weg sie kommen, und dann greift aus dem Hinterhalt an. Das ist wichtig, damit der Feind euch nicht auf offener Ebene vor sich hat. Greift sie aus der Deckung an – mit Wurfspeeren, Pfeilen und Steinschleudern, beschießt sie auch von Bäumen aus.«
    »Verstanden.« Er warf einen kurzen Seitenblick auf Tabanus, bemerkte dessen Staunen über den großen Sachverstand der Königin und lächelte unter seinem grauen Schnurrbart. »Die Neunte Legion müsst ihr nicht fürchten, meine Königin.«
    »Die Römer haben ein Lager auf den Hügeln oberhalb der Meerenge errichtet«, sagte Ardanos. »Paulinus hat Männer aus zwei Legionen zusammengeschart. Sie werden dort oben ein oder zwei Tage ausruhen, um dann eine Überfahrt zu wagen. Ich habe Läufer ausgeschickt, um die Männer von den Gehöften zu holen. Jeder, der eine Waffe zu tragen imstande ist, wird in Kürze hier sein.«
    »Besser wäre es, die Soldaten würden gar nicht unser Ufer erreichen«, bemerkte Helve. Irgendwo hörte man nervöses Lachen. »Wir verfügen nicht über die gleichen magischen Kräfte wie die Meister der Versunkenen Insel, die mit ihren Klängen Steine zu bewegen vermochten, aber immerhin haben wir hier dreißig ausgebildete Sänger. Wir werden ein klangliches Schutzwehr gegen den Feind hochziehen. Geh jetzt und ruhe dich aus, solange das noch möglich ist …«
    Die Versammlung hatte sich zerstreut, und Lhiannon machte sich bedächtig auf den Weg. Würde das Strohdach auf dem Versammlungsgebäude bald in hellen Flammen aufgehen, oder würde dieser Ort den Heilern Schutz bieten, um die Verwundeten zu versorgen? Seufzend blickte sie sich um. Ersteres war weit wahrscheinlicher. Sollte es den Römern gelingen, die Enge Meeresstraße zu überqueren, dann würde das Heer, das sich aus geflohenen Britanniern formiert hatte, die Eroberung nicht aufhalten können.
    Hatte das Ritual, das sie am Schwarzen Teich vollzogen hatten, überhaupt etwas genützt? Gut, sie hatten den Energiestrom heraufbeschworen und ostwärts geschickt, aber er hatte den Feind bestenfalls nur aufgehalten. Würden sie mit ihrem Gesang mehr ausrichten können?
    Sie sollte sich schlafen legen, wie Helve sie geheißen hatte, aber die Anspannung, die sie mit jeder Faser ihres Körpers spürte, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Und im Haus der Priesterinnen, wo sie ihren Geist gegen Coventas Albträume und Elins Weinen wappnen musste, würde sie ohnehin keinen Schlaf finden. Doch ihre vor Anstrengung gerunzelte Stirn glättete sich, als sie ihrem inneren Gefühl nachgab, das den Gedanken ans Schlafengehen längst verworfen hatte, und sich aufmachte zum Heiligen Hain.
    Durch den Blätterwald der Eichen säuselte ein leiser Wind, und irgendwo in der Ferne krächzte ein Rabe. Am Heiligen Hain hatte sie stets Ruhe und Frieden gefunden, selbst zu Zeiten größter Angst und Seelenpein. »Heilige Göttin … heilige Göttin …« Eine leise Melodie klang aus ihrer Erinnerung herauf. Es war noch nicht ganz Abend. Sie schloss die Augen, öffnete dem Geist des Heiligen Hains die Türen ihres Bewusstseins.
    Doch was sie gewahrte, war ein anderer Geist, der zwar vertrauter war, aber auch sehr viel weniger friedvoll. Sie blinzelte und sah einen Mann in weißer Robe neben dem Altarstein sitzen. Sie zögerte, wehrte sich gegen die spontane innere Regung davonzulaufen. Er streckte ihr die Hand entgegen. Auf den ersten Blick hatte sie ihn nicht erkannt – in der Robe des Erzdruiden erschien er ihr wie ein Fremder. Jetzt wusste sie, wer vor ihr stand. Und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, sah er alt aus.
    »Nun sitzen wir wieder beisammen am Vorabend einer Schlacht«, murmelte er. »Und wieder wünsche ich mir nur das eine – die Gewissheit, dich in meiner Nähe zu haben …«
    Er könnte genauso gut fragen, ob ich mich hier und jetzt mit ihm vereinige, dachte sie säuerlich, und ich würde Nein sagen. Wenn das Feuer in ihm noch brannte, dann verstand er es hervorragend, es unter Kontrolle zu halten. Und was sie betraf, so ließ sich der Schutzpanzer, den sie um ihr Herz gelegt hatte, nicht mal eben an einem Spätnachmittag ablegen.
    »Was geschieht deiner Meinung nach, wenn sie kommen?«, fragte sie.
    »Dann steht unser magischer Geist gegen den Geist der Römer …«, sagte Ardanos gedankenvoll. »Ich muss die ganze Zeit an die Geschichten denken, die Brangenos über Vercingetorix erzählt

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