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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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schlohweiß geworden, aber seine Hand war ruhig, als er den Schaft kurz hinter dem Speerkopf packte, ihn langsam aus der Wunde zog und sich ein heller Blutschwall ergoss. Helves Körper zuckte, kämpfte und erschlaffte schließlich. Einen kurzen Augenblick lang war es Lhiannon, als sehe sie einen glänzenden Nebelschleier über der stummen Gestalt, aber vielleicht war es nur das Licht, welches die Sonne durch die Bäume schickte. Dann war er fort.
    »Eigentlich müsste auch ich hier neben ihr liegen«, keuchte Ardanos. »Was hat uns all unsere Weisheit und magische Kraft genützt? Oakhalls gibt es nicht mehr. Wir sind gescheitert.« Und dann begann er zu weinen.
    Colonia lag in Schutt und Asche, nur vereinzelt schwelten noch ein paar Feuer. Die meisten Bewohner waren verbrannt, einige hatte man an die verkohlten Balken ihrer Häuser genagelt als Warnung, und an der kleinen römischen Festung zierten aufgespießte Köpfe die Spitzen der Torpfosten. Seit vier Tagen feierten die Britannier schon ihren Sieg, trunken vom römischen Blut wie vom römischen Wein, das beides in Strömen geflossen war.
    Boudicca saß vor ihrem Zelt in einem kurulischen Stuhl der Römer aus Elfenbein und Gold und hörte den Stammesführern zu, die sich auf den Stühlen rings um das Feuer rekelten. Boudicca saß überraschend weich und behaglich – eine Wohltat, zumal ihr noch etliche Knochen wehtaten.
    »Die Stadt des Sieges, so hieß sie einst!«, rief Segovax. »Jetzt ist es die Stadt der Opfer!«
    »Dies ist die älteste römische Siedlung in Britannien«, sagte König Corio. »Zumindest war sie das …« Er grinste. Der König der Dobunni war zusammen mit mehreren Stammesführern aus den Gebieten der Catuvellaunen eingetroffen, während Boudicca geschlafen hatte. »So schnell wird das keiner mehr wagen!«
    »Wenn sich das ganze Volk zum Aufstand erhebt«, meinte Boudicca, »kann kein Eroberer ein Land besetzt halten. Aber wir Britannier müssen zusammenstehen, wir alle müssen die Römer angreifen – und wir müssen die Festungen ebenso wie die Städte einnehmen.«
    Nachdem Boudicca eine ganze Nacht und einen halben Tag durchgeschlafen hatte, warteten ein halbes Dutzend Stammesführer der Cantiacer und der Catuvellaunen auf sie. Sie war überrascht, mit welch hoher Achtung ihr die Männer begegneten und zuhörten. Was auch immer die Göttin getan hatte an jenem Tag, nachdem der Tempel des Claudius niedergebrannt war – es hatte ihrem Ansehen offenbar nicht geschadet.
    Mit einer Handbewegung bedeutete sie Rigana, mit dem Weinkrug herumzugehen, und unterdrückte dabei ein unwillkürliches Verlangen nach Bier. Ihr Kopf fühlte sich zwar so an, als sei er so gründlich klar gespült wie das Ufer nach der Flut, und auch der stetige Druck, den die Anwesenheit der Göttin verursacht hatte, war fast weg. Aber trotzdem hatte sie das dumpfe Gefühl, dass gewisse Dinge wie Bier oder Blut sie möglicherweise zurückbringen könnten. Der Tag, an dem sich ihre Sinne verwirrt hatten und sie in geistiger Abwesenheit geschwebt hatte, hatte ihren Töchtern einen mächtigen Schrecken eingejagt. Sie durfte sich fortan nicht der Versuchung hingeben, sich ohne Not an die Göttin zu verlieren. Aber wenigstens, so dachte sie, schien Cathubodva ihr diese Weisheit hinterlassen zu haben.
    »Wir verfügen über genügend Kriegspfeile, um damit alle Stämme zu versorgen, und sie sind noch rot von römischem Blut. Wir brauchen vier weitere Heere, die so groß sind wie dieses hier, um die römischen Legionen niederzumetzeln und den Römern ein für alle Mal zu zeigen, dass Britannien eine Grube ist, in die sie Gold und Männer werfen können, so viel und so lange sie wollen – aber voll wird sie nie sein.«
    »Eine Opfergrube«, murmelte Brangenos. »Ein Opfer für die Götter …«
    Bei diesen Worten fühlte Boudicca in ihrem tiefen Innern den Flügelschlag eines Raben. Die Göttin ist noch nicht satt, dachte sie, und sogleich wehte ihr der Gestank von fauligem Aasfleisch, der die Luft erfüllte, umso stärker in die Nase.
    Wind kam auf, blies durch den Heiligen Hain und trug den Geruch von Rauch mit sich, obgleich inzwischen vier Tage vergangen waren. Doch verglichen mit dem Gestank, der noch immer über den Ruinen von Oakhalls hing, war der Geruch von verbranntem Holz geradezu annehmlich. Von den Druiden, die bis zuletzt an dieser Heiligen Stätte geblieben waren, hatte nicht einmal die Hälfte überlebt. Sie sangen den Totengesang für all diejenigen, deren

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