Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Altar und schlotterte am ganzen Leib. Ihre weißen Glieder waren blutüberströmt. Bendeigid lief auf sie zu, doch Lhiannon hielt ihn zurück.
»Geh und finde etwas, womit wir sie bedecken können …«
Ganz sacht kniete sie sich neben sie.
»Es ist alles gut, meine Liebe, du bist in Sicherheit – wir sind da …«
Coventa schlug die Augen auf und brachte sogar ein Lächeln zustande. Belina hielt ihr den Wasserbeutel an die Lippen, sie trank gierig und legte sich mit einem Seufzer nieder.
»Warum haben sie das getan?«, flüsterte sie. »Ich wollte nie einen Geliebten, aber ich habe erlebt, wie die Frauen immer darauf brannten, zum Beltane-Feuer zu gehen … Ich dachte, wenn Mann und Frau zusammenkommen, dann ist das ein freudvolles Erlebnis. Das hier aber war ein Haufen wilder Tiere !«
»Coventa, das waren sie auch …«
»Als sie meinen Körper verletzten, zog ich alle Kräfte zusammen, um nichts zu fühlen – aber mein Geist schaffte es nicht, gegen ihre wilde Raserei anzukommen. Und die ganze Zeit brüllten sie – dabei fluchen Tiere nicht, Lhiannon!«, rief sie. »So wie man sagt, ist die Gabe, Visionen zu haben, abhängig von der Jungfräulichkeit – aber das ist nicht wahr …«, fuhr sie fort. »Ich sehe seither in einem fort Bilder, aber nur schlimme – Blut, eine brennende Stadt, überall Leichen …«
Lhiannon zuckte zusammen. Wohl wahr, man sagt, das Orakel müsse Jungfrau bleiben, dachte sie. Aber warum? Weil die Vereinigung des Körpers bei einer Seherin an die Vereinigung der Seele gebunden war?
»Diese Bilder waren in den Köpfen der Männer, die dich geschändet haben«, sagte Belina. »Lass sie los …«
»Das geht nicht …« Coventa schüttelte den Kopf. »Die Männer, die ich gesehen habe, gehörten zu unserem Volk, und Boudicca war bei ihnen, schwang ein blutiges Schwert.«
»Der Wunsch ist Vater ihrer Phantasien«, murmelte Belina. »Boudicca hat sie einmal beschützt, als sie noch ein junges Mädchen war. Also ruft sie sich ihr Bild jetzt wieder her.«
Lhiannon war sich da nicht so sicher. Für Boudicca jedenfalls konnte sie nichts tun, denn sie wurde jetzt hier gebraucht.
»Es war Boudicca, aber es war nicht …« Coventa stammelte weiter. »Ich sah die Gestalt eines großen Raben, der sich hinter ihr erhob, mit Blut an Schnabel und Klauen …«
Die Herrin der Raben stakte durch das Trümmerfeld von Colonia, leitete die Lagerung der geplünderten Vorräte, die Verteilung der beschlagnahmten Waffen und wies den Männern, die noch immer zu ihnen stießen, einen Lagerplatz zu. Ob Königin oder göttliche Person – niemand stellte ihr Recht, sie zu führen, in Zweifel. Boudiccas Hofstaat hingegen drängte sie, auszuruhen, zu essen und zu schlafen – aber vergeblich. Die Nacht zog vorüber und ein neuer Tag herauf.
Als auch dieser sich dem Ende zuneigte und die Sonne fast versunken war, kam Brangenos zu ihr, begleitet von Rianor. Hinter ihnen standen Rigana und Argantilla, betrachteten ihre Mutter mit besorgtem Blick. »Meine Königin, wie ist dein Befinden?«, fragte der ältere der beiden Druiden vorsichtig.
Es war offensichtlich, dass er wusste, zu wem er sprach. Warum kam er nicht gleich zur Sache?
»Sehr gut – wie könnte es auch anders sein nach einem solchen Fest?« Sie lachte. »Oder wolltest du fragen, wie es meinem Pferd geht?«
Verwirrt sah man sich an, da die Königin den ganzen Tag lang auf den Beinen gewesen war, doch schließlich antwortete Brangenos.
»Sehr wohl, meine Königin, aber du bist eine viel zu gute Reiterin, als dass du dein Pferd bis zur Erschöpfung treiben würdest.«
»Das ist wohl wahr.« Sie richtete ihr Bewusstsein nach innen, spürte wunde Füße und einen schmerzenden Rücken. Man hatte sie die ganze Zeit mit Bier versorgt, während die Raben sich am Festschmaus gelabt hatten. Ihr Blick schweifte durch das Lager, wo alles so weit in Ordnung schien. Sie sah Brangenos an und wusste, dass sein freundlicher Tonfall beim nächsten Wort umschwenken und er ihr eine Ruhepause befehlen würde. Und matt und müde, wie ihr Körper war, könnte sie sich nicht einmal dagegen wehren.
»Möchtest du, dass ich sie jetzt verlasse?« Die Göttin in ihr schmunzelte.
»Bitte, meine Königin, gehe zurück in dein Zelt.« Brangenos warf einen kurzen Blick in die gespannten Gesichter der umstehenden Menge.
Vielleicht hatte er ja recht. Es war wohl das Beste, hier und jetzt vom Pferd zu steigen und die Britannier im Glauben zu lassen, dass es Boudicca
Weitere Kostenlose Bücher