Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
uns zum Kampf entschließen, haben wir dann tatsächlich eine Aussicht auf den Sieg?«, fragte König Maglorios, ein älterer Mann, dessen Haar bereits schütter wurde, der aber noch immer stark und kräftig war. Seine Länder lagen zwischen denen der Durotriger und Atrebaten. Mit einer Handbewegung winkte er Boudicca herbei, die ihm die Trinkschale mit jener Anmut reichte, die sie am Königshof Cunobelins gelernt hatte. Er sah sie wohlwollend an, und sie wich einem mehr als wohlwollenden Klaps aus, als sie die Schale wieder an sich nahm, um nachzuschenken.
»Wenn ihr euch zusammenschließt«, antwortete die Hohepriesterin, »dann, so glaube ich, könnt ihr sie zum Rückzug bringen. So wie damals vor einhundert Jahren, als Caesar auf eine dauerhafte Eroberung Britanniens verzichtet hatte, trotz seiner ruhmredigen Eroberungen in anderen Keltengefilden.« Sie wirkte müde. Und Boudicca hörte, dass Mearan in ihren Visionen noch mehr Blutvergießen gesehen hatte als Helve.
»Ich will mich gern mit jedem zusammenschließen, der hier anwesend ist«, sagte Tancoric. »Aber was ist mit all jenen, die heute nicht hier sind? Wie ich sehe, sind die Regner deiner Einladung nicht gefolgt.«
»Dafür gibt es möglicherweise mehr als einen Grund«, sagte Mearan.
»Vielleicht haben sie gehört, dass die Söhne des Cunobelin da sein werden«, sagte Maglorios, woraufhin die anderen schallend lachten. Das Land der Regner wurde im Norden begrenzt von Gebieten, die unter der Herrschaft des Togodumnos standen, und im Osten vom Land der Cantiacer, wo nun Caratac König war.
»Und vielleicht haben die Atrebaten ja gehört, dass auch du hier sein wirst!«, konterte Togodumnos. »Sie sind schließlich deine Nachbarn.«
Der Erzdruide schüttelte den Kopf. »Ich habe sie nicht eingeladen. König Veric hat einen Vertrag mit den Römern. Er hat seinen Enkel Cogidumnos in die Obhut des römischen Kaisers gegeben und würde es nicht wagen, sich gegen ihn zu wenden, selbst wenn er das wollte.«
»Die Insel Vectis hat einen verlockenden Hafen. Die Römer könnten so durch das Land der Atrebaten geradewegs nach Britannien einmarschieren. Was Veric betrifft, so müssen wir uns also etwas überlegen …«, sagte Caratac langsam. Er sah seinen Bruder an, und Boudicca erzitterte.
Cunobelins Sohn verfolgte wie sein Vater das ehrgeizige Ziel, Britannien zu vereinen. In der Bedrohung der römischen Eroberung lag möglicherweise genau die Gelegenheit, sich endlich zusammenzuschließen, um dieses Ziel zu erreichen.
»Und werden die Männer der weisen Künste mit uns kämpfen?« Die anderen drehten sich um, als Prinz Prasutagos das Wort ergriff. Er hatte bislang kaum etwas gesagt, aber wenn, dann hatte man seinen Worten aufmerksam zugehört.
»Gewiss doch«, sagte der Erzdruide mit einem schmalen Lächeln. »Die Römer werden es nicht schaffen, dass wir uns geschlagen geben. Unsere Magie ist vielleicht nicht ganz so, wie die Legende besagt, aber wir haben eine gewisse Macht über Wind und Wetter und vermögen es, Zeichen zu deuten. Wir werden euch unsere fähigsten Priester und Priesterinnen zur Seite stellen, um mit euch zu marschieren, wenn die Zeit des Kampfes gekommen ist.«
Der Prinz nickte, und Boudicca trat vor, um ihm die Trinkschale zu reichen. Als er aufsah, um sie entgegenzunehmen, lag Traurigkeit in seinem Lächeln. Von einem Diener des Königs Caratac wusste sie, dass der Prinz unlängst seine Frau verloren hatte, während sie ihm ein Kind geboren hatte. Das war bedauerlich. Er hatte ein sanftes Gesicht, dachte sie bei sich, und wäre bestimmt ein gütiger Vater gewesen.
»Dann hoffe ich, dass eure Seher uns sagen können, wann die Römer einfallen werden. Es wird schwer werden, ein Heer zusammenzuziehen, und noch schwerer, es zusammenzuhalten«, sagte König Maglorios.
Boudicca ging mit der Trinkschale reihum, während die Beratungen über Krieger, Versorgungsmaterialien und Strategien weitergingen.
So sehr Lhiannon Oakhalls liebte, die Atmosphäre der selbstlosen Hingabe empfand sie zuweilen als sehr beengend, besonders jetzt, da die Gegenwart der königlichen Fremden nicht nur ihr unentrinnbar bewusst machte, dass es fern der Druideninsel noch eine andere Welt gab. Man hatte sie auserkoren, die Könige an den Schwarzen Teich zu begleiten, um dort ihre Opfergaben darzubringen. Doch sie war sich nicht sicher, ob Mearan ihre Hilfe als Priesterin oder als Betreuerin Boudiccas wollte, die auf dem Weg dorthin feierlich vor ihr
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