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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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hinab.
    »Das ist der Teich, den wir ›die Mutter‹ nennen«, antwortete Lhiannon. »›Die Tochter‹ liegt noch ein Stück weiter talabwärts, geschützt vor dem Auge des zufälligen Betrachters. Bei Tagesanbruch werden wir fastend dorthin aufbrechen.«
    »Aber heute Abend essen wir etwas, oder?«, fragte Bendi, der sich zu ihnen gesellt hatte. Ardanos und Cunitor halfen Mearan vom Pferd und führten sie auf einen Platz, den sie mit ein paar zusammengefalteten Umhängen gepolstert hatten. Obwohl sie dankbar lächelte, sah sie blass aus.
    »Wenn es nach Lugovalos ginge, dann gäbe es heute Abend nichts zu essen«, antwortete Lhiannon. »Aber selbst der Erzdruide wird den Königen eine solche Kasteiung nicht abverlangen. Tröste dich schon mal mit dem Gedanken, dass es morgen ein Festmahl mit köstlichem Fleisch geben wird. Aber wenn wir heute Abend überhaupt etwas in den Magen bekommen wollen, dann machen wir uns am besten gleich an die Arbeit.« Sie stand auf und humpelte zur Feuerstelle.
    Einige der Männer hatten bereits hohe schmiedeeiserne Feuerböcke aufgestellt, an denen der genietete Bronzekessel hing, und ein Feuer darunter entfacht. Lhiannon beugte sich über den Kessel und wartete, bis die ersten Dampfkringel vom Wasser aufstiegen. Als es so weit war, kippte sie einen Beutel Gerste hinein. Boudicca legte ein Brett über zwei Steine und hackte darauf Grünzeug klein.
    Der lange Sommertag neigte sich dem Zwielicht der Dämmerung entgegen und breitete noch zartere rosa und goldene Schatten über das Land. Das Blubbern des Feuerkessels verklang in der abendlichen Stille, die selbst die Stimmen der Männer verstummen ließ. Von der Heiligen Insel her kamen drei Raben geflogen, deren anmutige Gestalt sich scharf gegen den leuchtenden Himmel abzeichnete.
    »Tut uns leid, meine lieben Brüder – heute haben wir nichts für euch«, rief König Tancoric. »Kommt morgen wieder, dann werden wir euch füttern.«
    »Und wenn die Römer kommen, dann werden wir euch ein wahrlich lohnendes Opfermahl bereiten«, fügte Caratac hinzu, woraufhin die Männer in schallendes Gelächter ausbrachen.
    Die Raben kreisten über ihnen, als ob sie den Worten lauschten. Lhiannon erzitterte, als sie mit einem letzten schrillen Schrei davonstießen.
    »Ist dir kalt? Ich kann dir einen Umhang holen«, sagte Boudicca.
    Die Priesterin schüttelte den Kopf und rührte wieder im Kessel. »Das waren nur die Vögel«, erklärte sie. »Wir rufen die Götter, uns zu segnen, aber die können manchmal ganz schön schrecklich sein, besonders Cathubodva, die Göttin des Krieges und der Raben, deren Vögel …«
    »Was meinte er eben mit dem lohnenden Opfermahl?«, fragte Bendi.
    »Leichen«, sagte Ardanos, der sich zu ihnen gesellte. »Nach einer Schlacht laben sich die Wölfe und die Raben an den Toten. Du weißt doch, wie der Eichwald aussieht im Herbst, wenn Eicheln den Boden bedecken? Die Eicheln sind ›Mast‹ für die Schweine – auf dem Schlachtfeld, so sagt man, liegen die abgetrennten Häupter der Gefallenen wie Eicheln herum, die ›Mast für die Morrigan‹, die Große Königin, die wir auch Cathubodva nennen …«
    Er drehte sich zu Lhiannon. »Die Hohepriesterin ist völlig durchgefroren. Gibt es irgendetwas, das ich ihr verabreichen kann?«
    »Reich mir die Schale dort – die Gerste ist noch nicht ganz weich, hat aber schon genug Wirkstoffe ins Wasser abgegeben, was ihr gut tun wird.« Lhiannon löffelte Brühe in die Schale und gab eine Prise Salz hinzu. »Hier, Bendi.« Sie wandte sich an den Jungen. »Du willst doch Heiler werden. Manchmal sind auch Speisen Medizin. Bring das der Herrin, und wenn sie ausgetrunken hat, frag, ob sie noch mehr möchte.«
    »Hat die Morrigan Gefallen am Blutvergießen?«, fragte Boudicca, als Bendi fort war.
    »Nein, sie weint …«, sagte Lhiannon leise. »Am Abend vor einer Schlacht geht sie über die Felder und stößt gellende Schreie der Verzweiflung aus. Sie wartet an der Furt und wäscht die blutigen Kleider der Todgeweihten. Sie bittet sie umzukehren, aber das tun sie nie.«
    »Und dann, wenn die Schlacht begonnen hat«, fügte Ardanos hinzu, »gibt sie dem Wahnsinn statt, der den Kriegern die Stärke von Helden verleiht, und erlaubt ihnen, Taten zu begehen, die man nur im Kriegsrausch vollbringen kann. Und so reichen ihr die Könige als Dank für den Sieg Opfergaben dar.«
    »Ist sie gut oder böse?«, fragte Boudicca.
    »Beides«, sagte Lhiannon und versuchte zu lächeln. »Wenn sie sich

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