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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Himmelszelt weit. Auf seiner Stirn geht die Sonne auf, an seinen Lenden geht sie unter.«
    Das dumpfe Dröhnen des Erzdruiden schien in der harten Erde zu vibrieren. Waren es seine Worte oder der Segen der Glocken, welche die Luft um ihn leuchten ließen? Das Lied war ein Lied der Wandlung – ein Teil wird zum Ganzen, die Welt des Fleisches geopfert der Welt des Geistes.
    Der Hengst zuckte zusammen, als ein Windstoß die Fackel auflodern ließ. »Dies Pferd ist die Erde, die Sterne des Himmels. Dies Pferd ist das Ross, das zwischen den Welten reist. Dies Pferd ist die Opfergabe.«
    Bendeigid reichte Ardanos die Opferklinge. Stahl blitzte im Licht, als er anhob, sie durch die Kehle des Tieres zu führen, und der Hengst wieherte, bäumte sich auf und schlug nach allen Seiten. Ein Vorderfuß traf Ardanos in die Rippen, das Messer flog ihm aus der Hand, segelte funkelnd durch die Luft und landete laut klatschend im Wasser unter ihnen. Lhiannon schrie auf und eilte zu Ardanos, als dieser hinfiel.
    Die Könige sprangen beiseite, als das Pferd Cunitor über den Boden schleifte. Da wich Prasutagos einem Hufschlag aus, sprang vor, griff nach dem Halfter und brachte das Pferd unter Aufbietung all seiner Kräfte schließlich zur Ruhe.
    »Der hat es mit der Angst gekriegt«, sagte Lhiannon, während Ardanos keuchte. Sie tastete sacht über seinen Oberkörper, doch als sie über seine Rippen fuhr, schrie er auf. »Und dir ein paar Rippen gebrochen«, fügte sie hinzu. »Halt still, mein Lieber. Das muss verbunden werden, bevor du dich bewegst.«
    Der Hengst wurde ruhiger, als Prasutagos zu ihm sprach, seine Stimme so leise flüsternd wie der Wind. Erst in diesem Augenblick erkannte Boudicca, welch unheilvolles Omen der ganze Vorfall barg.
    Sie zog ihr Messer, schnitt und riss an der Unterseite ihrer Tunika, knirschte vor Anstrengung mit den Zähnen, bis das starke Leinen nachgab und sie einen Stoffstreifen am Saum abreißen konnte. »Hier, nimm das.«
    »Cunitor, bring das Pferd zurück«, sagte Lugovalos. »Wir müssen das Ritual vollenden.«
    »Ich bringe ihn zurück«, entgegnete Prasutagos. »Druide, der du bist, fühlt er deine Angst.«
    Nun, kein Wunder, dachte Boudicca bei sich, wo wir nun alle gesehen haben, was mit Ardanos passiert ist. Aber als Icenerin konnte sie sich eines kleinen Funkens Stolz in der Brust dennoch nicht erwehren. Die Icener waren allgemein bekannt dafür, meisterliche Pferdeausbilder und Pferdezüchter zu sein. Und auch Prasutagos war ein wahrer Meister.
    Der Prinz führte das Pferd zurück auf den Felsvorsprung. Er streichelte ihm den seidigen Nacken, flüsterte in das gespitzte Ohr, bis das Pferd den edlen Kopf neigte und ganz ruhig wurde. Noch immer flüsternd, lehnte er sich an den starken Nacken, berührte die Knie des Tieres, bis es auf den Boden ging, schaukelte und sich schließlich hinlegte.
    Lugovalos nahm Gansfederschmuck und Umhang ab und legte beides weg.
    »Nimm meinen Dolch«, sagte Caratac und streckte ihm die funkelnde Klinge entgegen. »Die Klinge ist frisch gewetzt.«
    »Dies Pferd ist die Opfergabe …«, sagte der Erzdruide mit leiser Stimme. Langsam bewegte er sich auf die andere Seite des Pferdes, ging in die Hocke, hob das Messer, hielt kurz inne und zog es dann mit einer schnellen und glatten Bewegung mitten durch die Kehle des Tieres.
    Das Blut schoss in einem glänzenden Strahl hervor, und einen Moment lang schien das Pferd nicht zu begreifen, wie ihm geschah. Dann zuckte es zusammen, doch Prasutagos drückte sich mit ganzem Gewicht in den Nacken des Tieres, flüsterte unentwegt auf es ein, bis kurz darauf der große Kopf nach unten sackte und der Prinz ihn sacht zu Boden ließ.
    Im jähen Licht der aufgegangenen Sonne schien die ganze Welt blutrot, als sich das Blut unter dem hellen Leib zu einer Lache sammelte und in einem roten Bach zum Rand der Klippe floss. Boudicca blinzelte, sah, wie mitsamt dem Blut auch der letzte Rest an kraftvoller Energie entwich, die den Hengst umgeben hatte. Doch schien es lange zu dauern, bis auch der letzte Funken Lebenskraft aus dem Körper gewichen war und nur noch der Kadaver vor ihnen lag.
    Schweigend machten sich Cunitor und die anderen Männer daran, das Tier zu schlachten, Herz und Leber herauszunehmen und große Stücke Fleisch aus den Lenden herauszuschneiden. Auch Boudicca half mit, Fleischteile auf Spieße zu stecken und sie über das Feuer zu hängen. Kopf und Beine wurden nicht abgenommen, sie baumelten an der losen Tierhaut,

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