Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
erwidern.
»Bei Erde, Wasser und Luft seid ihr nun verbunden. Lasst das Feuer eurer beider Herzen Zeuge eures Gelübdes sein.« Der alte Druide trat zurück.
Noch immer das Band um die Handgelenke geschlungen, gingen Prasutagos und Boudicca um das Feuer herum, einmal, zweimal, dreimal, und stellten sich dann wieder vor den Druiden. War es inzwischen heißer geworden, oder war es die Wärme von Prasutagos’ Körper, die nun auch ihr Blut erhitzte?
»Nun ist es vollbracht. Nun seid ihr verbunden vor den Augen der Erde und des Himmels. König und Königin, Priester und Priesterin, Herr und Herrin – ihr werdet fortan einander und eurem Land verbunden sein.«
Er wandte sich ihnen zu, und gemeinsam schritten sie durch die Öffnung aus dem Inneren des irdenen Walls hinaus, hinter ihnen ihre Angehörigen. Die jungen Burschen und die Männer begannen erneut zu singen:
Du bist die Brise, die meine Stirn kühlt,
Du bist der Quell, aus dem das süße Wasser sprudelt,
Du bist die Erde, die das Saatkorn wiegt,
Du bist der Ofen, der das Brot backt,
Du bist die Liebste.
Und abermals antworteten die Frauen im Chor:
Du bist der Wind, der die Eiche rüttelt,
Du bist der Regen, der das Meer füllt,
Du bist das Saatkorn in der Erde,
Du bist das Feuer in der Schmiede,
Du bist der Liebste.
»Glaubst du, dass all dies zu deinen Ehren ist?« Cartimandua sah Boudicca an und deutete zum Feuer, um welches eine Schar junger Männer tanzte, die an diesem Abend reichlich Heidekrautbier gebechert hatten und deshalb etwas unsicher auf den Beinen standen. Als amtierende Königin hatte man Cartimandua den Ehrenplatz neben der Braut zugewiesen.
Auf dem Tuch vor den königlichen Gästen lagen Speisen in verschwenderischer Fülle – geschmortes Reh und Wildschwein sowie Rind von den eigenen Weiden, Lachs und Aal aus dem nahen Fluss, Brot, Bohnen und Gerste, getrocknete Früchte sowie frische, kräftige Käsesorten. Diese Hochzeitsfeier würde das Volk nicht so schnell vergessen.
»Die Römer sind nun da«, fuhr die Königin fort. »Und trotz all der schönen Worte in Camulodunon weiß keiner wirklich, wie es mit Britannien weitergehen wird.« Einen kurzen Augenblick lang ruhte ihr Blick auf dem jungen Epilios, der Boudiccas kleineren Bruder Braci am Ärmel gepackt hatte, auf dass er mittanze.
Bislang hatten sich alle dazu verschworen, die Römer nicht wissen zu lassen, dass Cunobelin noch einen Sohn hatte. Doch nun, da sie den Römern als Klientelkönige unterstanden, war seine Sicherheit im Land der Icener möglicherweise bedroht, zumal er den Römern ein wertvoller Gewährsmann wäre, um sich Caratacs Wohlverhalten zu sichern. Bei diesem Gedanken musste Boudicca an ihren älteren Bruder denken, der sich bereits auf dem Weg nach Rom befand, weshalb ihr Vater dabei war, sich den kleinen Braci als Thronerben heranzuziehen. Gut möglich, dass Dubnocoveros nie mehr zurückkehrte, und wenn, dann wäre er wohl mehr Römer denn Kelte – so wie dieser eingebildete Cogidumnos, den Boudicca in Camulodunon kennengelernt hatte.
Cartimandua zuckte die Schultern. »Eine Heirat ist ein Versprechen, dass das Leben weitergehen wird. Und sich volllaufen zu lassen ist eine sichere Methode, die Enttäuschung über das eigene Scheitern hinunterzuspülen; es nicht geschafft zu haben, den Feind in den Griff zu bekommen.«
Boudicca legte das Stück Wildschwein aus der Hand, das sie vorgab, essen zu wollen, und nahm einen Schluck aus ihrem Silberbecher. Aus dem Gewirr von Stimmen ringsum schnappte sie hin und wieder Namen auf, die sie ihrer Meinung nach kennen sollte – Morigenos … Tingetorix … Brocagnos, die Stammesführer des icenischen Königreichs. Immerhin würde sie als Königin fortan mit ihnen zu tun haben. Man hatte ihnen Met serviert, feurig wie die Hochzeitsfackel und süß, wie die Liebe eigentlich sein sollte.
Und was ist mit mir? Mit meiner Enttäuschung?, fragte sie sich.
Prasutagos plauderte angeregt mit dem König über Viehzucht. Seit ihrem Gelübde im Innern des Heiligen Kreises hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Dennoch war sie sich seiner Ausstrahlungskraft und der Hitze seines Körpers neben sich äußerst bewusst – auch wenn sie das Band um ihre Handgelenke inzwischen abgenommen hatten.
Ich bin gebunden, dachte sie grollend. Aber ist er das auch? Sie hielt den Becher hoch, damit er neu gefüllt wurde. Über ihr glänzte der volle Mond auf seinem Himmelsritt und sandte dicke silberne Strahlen herab,
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