Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
die mit dem Schein des Feuers um die Wette leuchteten.
»Und wie feiert man Hochzeiten bei euch im Land?«, fragte sie die Königin.
Cartimanduas Blick wanderte flüchtig durch die Reihen der Gäste zu ihrem Gemahl, und sie lachte. »Nicht so gesittet wie ihr hier! Natürlich haben wir auch Gelübde und Segenssprüche, aber zuerst muss der Mann seine Braut entführen. Er kommt mit ein paar Mannen zu ihr nach Hause, wo sie so tut, als wolle sie sich verstecken. Oder sie stürmen den Brautzug, sodass die Braut auf ihrem Pferd davonprescht und er sie einfangen muss.«
»Auch auf einer Königshochzeit?«
»Vor allem da.« Cartimandua lächelte in Erinnerung daran. »In meinem Land sind wir sehr stolz auf unsere Pferde. Ein Deckhengst darf eine Stute nicht decken, bevor er sie im Wettrennen um eine Braut nicht eingefangen hat.«
»Die Icener züchten ebenfalls starke Pferde!«, rief Boudicca.
»Das tun sie in der Tat.« Cartimandua sah sie tiefsinnig an. »Ich wette, das rote Fohlen, das dein Gemahl dir geschenkt hat, ist pfeilschnell …«
Mittlerweile brachten die Diener zwar keinen Nachschub an Speisen mehr, doch der Met floss immer noch reichlich. Die Musiker hatten aufgehört zu spielen, und auch das Stimmengemurmel war verstummt, als sich König Antedios erhob.
»Lasst uns auf diese fröhliche Feier trinken – zum Wohl auf das Brautpaar!« Er hob den Becher. »Die beiden Linien der Icener sind nun einmal mehr vereint! Um diesen Bund zu besiegeln, schenkt Dubrac seinem neuen Sohn vierzig weiße Mutterschafe und sechs Zuchtstuten.«
»Doch das beste Pferd im Stall sitzt neben Prasutagos!« Die Männer grölten und johlten, und Boudicca fühlte, wie ihr eine brennende Röte ins Gesicht schoss. Sonst war sie empfindlich und ärgerlich, wenn man sie nicht beachtete, aber auf diese Art von Beachtung konnte sie gut und gern verzichten. Erneut hob sie den Becher, um sich nachschenken zu lassen.
Edle Gelübde hin oder her – die Wahrheit war, dass man sie an einen Mann verheiratet hatte, der doppelt so alt war wie sie, um ein Bündnis zu festigen, für das Prasutagos zu guter Letzt nach Stückvieh abgegolten wurde, damit er sie zur Frau nahm. Im Tausch dafür erhielt auch Dubrac Vieh, und Boudicca durfte von nun an etliche Gehöfte an der Nordküste ihr Eigen nennen.
Nur verschwommen bekam sie mit, wie die Bediensteten die Geschenke der Hochzeitsgäste vor ihr ausbreiteten, damit sie sie bewunderte – Wollballen und Leinenstoffe samt einem wunderschön geschnitzten Webstuhl, damit sie eifrig weitere fertigen konnte; rote samische Töpferware, hergestellt in Gallien, sowie etliche Amphoren mit römischem Wein.
Sehr hübsch, dachte Boudicca. Aber ist das die Freiheit unserer Stämme wert? Wenigstens war die rote Stute aus der eigenen Heimat, und sie war geschmückt mit prachtvollem Geschirr und tänzelte nervös, als man sie durch die Reihen der Gäste führte. Boudicca kippte den letzten Tropfen Met hinunter.
Vor der Hütte, in der die Schlafstatt für das Brautpaar bereitet war, formierten sich die Dienstmägde der Königin. »Es ist nicht Tag und auch nicht Nacht«, sangen sie. »Es ist nicht Tag und auch nicht Morgen: Es ist nicht Tag und auch nicht Nacht, denn der Mond scheint hell …«
Ja, das tut er, dachte Boudicca und kniff die Augen zusammen, um ihn deutlicher sehen zu können. Es schien, als tanzten zwei Monde dort droben am Himmel. Oder vielleicht drei? Auf jeden Fall gab er den Trunkenbolden genug Licht, um einen Mordslärm unter freiem Himmel zu veranstalten, auf Kannen und Töpfe zu trommeln und lauthals ordinäre Ratschläge zu grölen, wie Prasutagos seine neu erworbene Stute am besten decken solle.
»Zeit, dich für die Hochzeitsnacht zu richten, mein Kind«, sagte Cartimandua und reichte ihr eine stützende Hand, als Boudicca versuchte aufzustehen. »Wie schade, diese wunderschöne Vollmondnacht im Haus verbringen zu müssen – ›eine Nacht so hell wie der Tag‹.«
Kaum stand Boudicca einigermaßen aufrecht, fing sie an zu wanken, weil sich alles um sie herum drehte.
»Ach du liebe Zeit«, sagte die Königin. »Nun, eigentlich sollte nur der Herr Gemahl darauf achten, sich nicht in einen Zustand zu trinken, der ihn liebesunfähig macht. Wenn du noch Jungfrau bist, dann ist es dir vielleicht sogar lieber, beim ersten Mal angesäuselt zu sein …« Da kam Boudiccas Mutter auf die beiden zu, doch Cartimandua winkte ab.
»Ich muss zum … Pfuhlloch«, sagte Boudicca, noch so gut es ging
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