Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
auf ihre Würde bedacht.
»Kann ich mir denken, mein Kind.« Cartimandua fasste sie unter dem Ellbogen und geleitete sie weg vom Feuer.
Um der großen Anzahl der Gäste gerecht zu werden, hatte man unten bei den Pferdegattern neue Pfuhlgruben ausgehoben. Die rote Stute, auf deren Rücken noch immer die bestickte Satteldecke lag, war mit dem Halfterstrick an einen Zaunpfahl gebunden. Sie warf den Kopf hoch und schnaubte, als die beiden vorbeigingen.
In der frischen Luft bekam Boudicca wieder einen klareren Kopf, sodass sie den Weg hinter die geflochtene Weidenschirmwand allein fand. Und nachdem sie sich vom Met so gut es ging erleichtert hatte, war sie auch wieder sicher, dass nur ein Mond am Himmel stand. Schade eigentlich, dachte sie etwas verdrießlich. Cartimandua hatte recht. Sie stand kurz davor, entjungfert zu werden, praktisch in aller Öffentlichkeit, von einem Mann, für den sie bloß eine weitere Zuchtstute war. Und das wäre im Honigweinrausch sehr viel leichter zu ertragen gewesen.
Schließlich stand sie wieder fest auf den Beinen, zupfte ihre Röcke zurecht und zog den Wollumhang fest um sich. Nun, da der Alkohol aus ihrem Körper wich, fühlte sich die Luft kühl an. Cartimandua wartete auf sie, und schweigend gingen sie zurück.
»Warte kurz«, bat sie, als sie an der angeleinten Stute vorbeikamen. »Das Pferd gehört mir, aber ich habe ihm noch gar keinen Namen gegeben.«
Die Stute bewegte ruckartig den Kopf und schnupperte in die Luft, als Boudicca die Hand hob, um sie hinter dem Ohr zu kraulen, dort, wo das Halfter saß. Dann strich sie ihr über den Kopf, wiegte ihn hin und her und blies ihr in die Nüstern.
»He, mein liebes Mädchen. Soll ich dich Roud nennen, meine Rote? Hat man dich einfach hier angebunden und stehen lassen?« Sie strich ihrem Pferd über den glänzenden Kamm, während es den Kopf an ihrer Schulter rieb. »Und das in einer so schönen Nacht, wo du eigentlich frei über die Hügel galoppieren solltest …«
Vom Feuer her drang das Gegröle der Männer herüber. »Bringt die Braut!« – »Bringt die Stute – der Hengst ist so weit!« – »Wo steckt sie denn? Los, suchen wir sie!«
»Weißt du was?«, meinte Boudicca mit einem Blick über die Schulter auf Cartimandua. »Ich pfeife darauf, heute Abend für allgemeine Erheiterung zu sorgen. Euer Volk ist nicht das einzige, das der Meinung ist, dass man einer Königin mit Achtung begegnen sollte.« Seufzend erinnerte sie sich an Lhiannons Ratschläge auf Avalon. Sie strich über die Satteldecke und bemerkte, dass der Sattelgurt noch festgezurrt war.
»Was du mir über die Bräuche bei den Briganten erzählt hast, gefällt mir richtig gut. König Prasutagos sollte sich die Sporen um seine Braut schon verdienen, meinst du nicht auch?« Sie griff hinunter zum Knoten am Halfter, zog daran und war froh, dass er sich wie erwartet leicht lösen ließ. Das Pferd trat einen Schritt vor, als sie den Haltestrick lockerte, und schob sich zwischen die beiden.
»Auf jeden Fall.« In Cartimanduas Stimme schwang Verwirrung, wenn nicht gar ein leises Lachen.
»Prasutagos hat mich nicht umworben«, fuhr Boudicca mit ruhigem Ton fort und lenkte das Pferd am Zügel. »Und mich auch nicht gekauft. Da kann er wenigstens versuchen, mich einzufangen.« Sie legte die Hand auf den Widerrist der Stute und schwang sich mit einem Satz auf den glänzenden Pferderücken, schwenkte ein Bein herum, den Halfterstrick noch immer in der Hand.
Und dann saß sie auf dem Pferderücken und drückte die langen Beine fest in die Seiten der Stute, die sogleich einen Satz nach vorn machte. Boudicca beugte sich über den glänzenden Kamm; es war ihr egal, wohin der Ritt ging – nur weg von hier. Als sie den Weg hinunterjagte, hörte sie hinter sich empörte Rufe und Cartimanduas schallendes Gelächter.
ZEHN
In einem wilden Ritt ging es zunächst aus der Festung hinaus und quer durch die Furt der Tas. Als sie die Uferböschung hinaufritt, drehte sich Boudicca um und sah die Feste von sich hin und her bewegenden Fackeln hell erleuchtet. Prasutagos würde ihr hinterherjagen müssen, wenn er sich nicht von ihr beschämen lassen wollte. Allerdings waren alle anderen Pferde draußen auf den Weiden und die meisten Männer inzwischen zu betrunken, um eines für ihn einzufangen. Von der Festung gingen etliche Wege ab, die das weiße Mondlicht hell beschien. Lachend ließ sie dem Pferd die Zügel schießen, gespannt, in welche Richtung es laufen würde.
Es lief nach
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