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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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umrundete die alten Grabhügel so, wie die alte Frau sie das einst gelehrt hatte, bis sie am Ende den Hügel in der Mitte erreichte – den einzigen, den man auch besteigen durfte.
    In Richtung Nordwesten konnte sie die Rundhäuser in der Feste ihres Vaters erkennen, die die Furt überblickten. Hinter dem Haus des Stammesführers lag der Garten ihrer Mutter, dahinter die Pferche für Schafe und Pferde und ein Stück weiter der Schuppen der Weberei. Von hier oben aus sah alles täuschend friedlich aus.
    Morgen würden sie aufbrechen zur Feste des Antedios, zu ihrer Hochzeit. Wann würde sie ihre Heimat wiedersehen? Sie hatte in die Heirat eingewilligt, aber im Augenblick fühlte sie sich wie der geopferte Hase, der damals in Helves Hand um sein Leben gezappelt hatte.
    In ihrer Tasche fand sie noch ein Stück Haferkuchen und legte es in einen Spalt zwischen zwei Steinen auf der Spitze des Hügels.
    »Alte Mutter, aus deiner Erde und deinem Wasser ist mein Fleisch und Blut. Nimm diese Gabe an. Beschütze diesen Ort wie seit so vielen Jahren, und auch wenn ich dich verlassen muss, behalte mich in Erinnerung …«
    Ganz langsam ließ ihre Angst nach. Coventa hätte jetzt wohl eine Antwort vernommen, dachte sie. Boudicca aber vernahm nur eine friedvolle Stille und verweilte, bis das Licht langsam schwächer wurde und sie wusste, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen.
    Die Stute schüttelte den Kopf, stieß ein schrilles Wiehern gegen den Burschen aus, der an ihrem Halfterstrick klammerte. Die Sonne brach durch die Wolken und ließ ihren Umhang leuchtbraun glänzen, einen feinen Ton dunkler als Boudiccas fuchsbraunes Haar. Der Bursche trat sich die Füße schief, um das Pferd zu halten, aber da es am Morgen geregnet hatte, war der Boden aufgeweicht, und das Pferd schleifte ihn durch den Matsch.
    »Ich glaube, das Füllen will sich nicht satteln lassen«, sagte einer von König Antedios’ Kriegern.
    »Es muss erst von einem erfahrenen Reiter eingeritten werden«, antwortete sein Gefährte.
    »Prasutagos hat ein Händchen für schöne Pferde, sagt man …«, meinte ein anderer, lachte und lenkte den Blick auf Boudicca.
    Sie errötete. Aber das Pferd war in der Tat ein Prunkstück, und es gehörte ihr – ein Hochzeitsgeschenk ihres zukünftigen Gemahls.
    Ihre Mutter zupfte sie am Ärmel, und sie folgte ihr ins Rundhaus. Sie musste langsam und vorsichtig gehen, denn sie war schwer behangen, trug den roten Mantel und den karierten Umhang, in den sie auch beim Unterwerfungszeremoniell in Camulodunon gekleidet gewesen war, sowie jede Menge Schmuck; außerdem musste sie darauf achten, dass sich die Zöpfe nicht lösten, die ihr die Dienstmägde kunstvoll ins Haar geflochten hatten; und auch der Kranz aus goldenem Ginster und Weizenähren, der ihr Haupt über dem karmesinroten Gesichtsschleier aus hauchdünnem Leinen krönte, durfte nicht verrutschen.
    Schon den ganzen Tag fand sie sich in einem seltsamen Schwebezustand, ließ die Dienstmägde gewähren, die sie ankleideten und schmückten, als wäre sie das Abbild einer Gottheit. Und das war gar nicht einmal so weit hergeholt, dachte sie bei sich. Heute war sie schließlich eine Braut und nicht Boudicca. Heute würde man die Vereinigung zweier Königshäuser feiern, was den Stamm stärkte, die Vereinigung von Mann und Frau, was die Welt erneuerte. Diese symbolische Bedeutung war in jeder Eheschließung enthalten, aber Könige und Königinnen hatten die Macht, die Geschicke des Stammes zu lenken. Wenn ihr Vater früher die rituellen Zeremonien für Aussaat und Ernte abgehalten hatte, war auch sie stets mitgerissen gewesen von den Wogen des Gefühls, die dem König vom Volk entgegengeschlagen waren. Die Druiden hatten ihr das Verständnis für die tieferen Zusammenhänge all dessen vermittelt. Aber jetzt war sie es, die diese Macht in Händen hielt. Und das war ein völlig neues Gefühl.
    Das fröhliche Stimmengezwitscher aus der Ferne verriet ihr, dass sich der Festzug der Frauen formierte. Boudicca war überrascht, als sie Cartimandua, die Königin der Briganten, darunter erblickte. Sie hätte sich gewünscht, dass auch Lhiannon und Coventa dabei sein könnten.
    Anaveistl, ihre Mutter, versuchte, einigermaßen eine Ordnung in die Reihen zu bringen, während ein Barde seiner Harfe melodiöse Klänge entlockte. Sie drückte Boudicca eine Getreidegarbe in die Arme und schob sie vorbei an der Schar von schnatternden Mädchen, die Körbe voll mit Blumen und Kräutern trugen. Die

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