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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Monat – noch viel zu früh!
    Boudicca ging ein Stück weiter, hielt dann wieder an. Die Wasser, die über den Bach getreten waren, ließen den Pfad vor ihren Augen buchstäblich verschwimmen. Ohne eine Lichtquelle könnte sie leicht von der Strömung erfasst und mitgerissen werden. Doch ein Stück weiter zeichnete sich dunkel eine kleine Anhöhe ab. Platschend watete sie darauf zu, hielt immer wieder an, sobald die Schmerzen kamen, und kroch schließlich auf allen vieren den kleinen Hang hinauf. Ihr Herz schlug jetzt wieder etwas ruhiger. Sie blickte sich um und wusste nun, wo sie war.
    Vor langer Zeit hatte das Volk, das Eponadunon erbaut hatte, hier auf diesem Hügel einen ihrer Stammesführer begraben. Und obwohl sein Name längst vergessen war, brachten die Menschen ihm am Vorabend des Samaine-Fests noch immer Opfergaben. Bestimmt würden es ihr die alten Geister nicht verübeln, wenn sie hier ihre Zuflucht nahm, bis Prasutagos kam, sie zu retten. Außerdem dauert eine erste Geburt immer etwas länger, dachte sie – darin waren sich sogar die alten Frauen einig, die ihr während ihrer Schwangerschaft allerlei Furcht einflößende Geschichten von schweren Geburten erzählt hatten. Nein, sie hatte noch Zeit …
    Doch die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen, und da fiel ihr ein, dass Prasutagos sich am Morgen aufgemacht hatte, um zu einem der entlegeneren Gehöfte zu reiten. Bei einem so scheußlichen Wetter würde er mit Sicherheit dort übernachten. Und Nessa und die anderen in Eponadunon würden davon ausgehen, dass sie sich ebenfalls nicht mehr auf den Rückweg gemacht hatte. Ein leises Stöhnen entfuhr ihr durch die zusammengepressten Zähne, als ihr klar wurde, dass niemand kommen würde, sie zu retten.
    Außerdem hatten die alten Frauen sich geirrt, was den Zeitpunkt der Geburt anbetraf – zumindest wenn das Kind wirklich zu früh kam. Und sie hatte sich geirrt, weil sie gedacht hatte, sie würde den Weg auch ohne Begleitung schaffen, bei jedem Wind und Wetter. Und nun ging alles schief! Sie kauerte sich in der Hocke zusammen, während die Wehen ihren Körper marterten und sie ihren Schmerz laut hinausschrie.
    Als die Wehen ihr zwischendurch eine kurze Atempause ließen, nahm sie ihren Dolch, schnitt zwei Streifen Stoff von ihrem Hemd und legte sie griffbereit. Dann veränderten sich die Schmerzen, wurden heftiger; sie knäulte ihren Umhang zusammen, schob ihn sich unter, kauerte am Boden und weinte vor Schmerz, während sich ihr Leib immer und immer wieder zusammenzog und schließlich ein rotes, zappelndes Etwas ausstieß. Sie fing es auf, schaffte es irgendwie, die Nabelschnur abzutrennen und den Nabel abzubinden. Es war ein Junge. Als die kalte Luft ihn berührte, stieß er ein dünnes Wimmern aus. Keuchend vor Anstrengung öffnete sie ihr Hemd ein Stück, legte sich den Säugling zwischen die Brüste und band ihren Gürtel darum, damit er fest und sicher dort ruhte. Winzig wie er war, schmiegte er sich mühelos hinein.
    »Lass dich getrost auf meinem Herzen tragen, mein Kleiner, so wie ich dich unter meinem Herzen trug«, stammelte sie und spannte sich an, als ihr Leib sich noch einmal krampfartig zusammenzog und den blutigen Klumpen der Nachgeburt ausstieß.
    Irgendwann in der vergangenen Stunde hatte es zu regnen aufgehört. Das Wasser versickerte langsam, und der Bach fand in sein Bett zurück. Ein kalter Wind peitschte die Wolken, und das schwache, wässrige Mondlicht leuchtete ihr den Weg. Ihre Schenkel waren blutverschmiert. Hatte sie zu viel Blut verloren? Sie wusste es nicht zu sagen. Aber wichtiger als alles andere war, so schnell wie möglich ein schützendes Dach zu finden. Zitternd und schwankend kam sie auf die Beine, wickelte sich in ihren Umhang und arbeitete sich mühsam den Hang hinab.
    Am Fuße des Hanges standen junge Bäume, nach denen sie griff, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ein Trieb löste sich aus dem nassen Boden, was ihr ganz recht kam, denn so hatte sie einen Stützstock, mit dem sie sich vorwärts und durch den Bach tasten konnte. Jetzt war es nicht mehr weit bis zur Festung. Nur noch ein kurzes Stück über die Felder. Wäre ihr Kind nicht gewesen, sie wäre auf halbem Weg zusammengeklappt und einfach liegen geblieben. Doch so rappelte sie sich nach jedem Sturz wieder auf, und die Festung kam mit jedem Schritt näher.
    Das Tor war verschlossen. Hatte sich etwa auch die Wache vor dem Wetter in die schützenden Häuser verzogen? Das wäre in der Tat eine

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