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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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dadurch mußte sie den verunstalteten Körper nicht so deutlich sehen. Nimue fürchtete einen Augenblick lang, daß Kevins Mann aus Avalon stammte, daß er sie erkennen und vielleicht begrüßen würde. Aber glücklicherweise trug er die Kleidung der Diener am Hof. Wie war es möglich, daß Morgaine oder die alte Raven so vorausschauend gewesen waren, sie als Kind in die Abgeschiedenheit zu bringen, damit sie als Frau und Priesterin vom Merlin nicht erkannt wurde?
    Sie begriff, daß sie nur eine Figur im großen Spiel der Welt war. Man hatte ihr außer ihrer Schönheit und behüteten Jungfräulichkeit nichts mitgegeben, um die Rache der Göttin über diesen Mann zu bringen, der sie alle verraten hatte.
    Nimue nahm ein Kissen von ihrem Sessel und schob es unter den Arm des Merlin. Seine Knochen schienen die Haut zu durchbohren, und als sie leicht seinen Ellbogen berührte, schien von dem geschwollenen Gelenk eine solche Hitze auszugehen, daß sie sich verbrannte. Mitleid und Auflehnung überkamen sie.
Die Göttin nimmt bereits Rache an ihm. Er muß wahrhaftig genug leiden! Ihr Christus litt einen Tag lang am Kreuz, Kevin ist sein Leben lang an einen verunstalteten Körper gekreuzigt!
Aber andere waren für ihren Glauben den Flammentod gestorben und hatten die Mysterien weder verraten noch ihren Schwur gebrochen. Sie verhärtete sich und bat liebenswürdig: »Ehrwürdiger Merlin, wollt Ihr für mich spielen?«
    »Für Euch, meine Herrin«, erklärte Kevin mit seiner wohlklingenden Stimme, »werde ich spielen, was Ihr wünscht. Wäre ich doch dieser Barde aus alter Zeit, der spielen konnte, bis die Bäume tanzten!«
    »O nein«, erwiderte Nimue übermütig lachend, »was sollten wir denn tun, wenn sie alle hier hereintanzen würden! Die ganze Halle wäre voll Erde, und alle unsere Mägde mit ihren Besen und Lappen könnten sie nicht mehr säubern. Ich bitte Euch, laßt die Bäume, wo sie sind, und singt!«
    Der Merlin begann zu spielen. Nimue saß neben ihm auf dem Boden und blickte mit großen Augen zu ihm auf. Kevin sah sie an, wie ein großer Hund seinen Herrn ansehen mag – voll demütiger Anbetung und Hingabe. Gwenhwyfar hielt seine Zuneigung beinahe für selbstverständlich. Sie war so oft Gegenstand inbrünstiger Anbetung gewesen, daß sie gar nicht darüber nachdachte – Männer zollten der Schönheit immer Tribut. Aber vielleicht sollte sie Nimue warnen, damit sie sich nicht den Kopf verdrehen ließ. Doch sie konnte sich nicht vorstellen, wie Nimue es aushielt, bei diesem häßlichen Mann zu sitzen oder ihn so aufmerksam anzusehen. Trotzdem verwirrte sie etwas an Nimue. Die Aufmerksamkeit des Mädchens schien nicht ganz echt zu sein. Es war nicht die Freude am Spiel eines anderen Musikanten, auch nicht die schlichte Bewunderung eines gutgläubigen Mädchens für einen weitgereisten, reifen Mann.
Nein,
dachte Gwenhwyfar,
es ist auch nicht plötzliche Leidenschaft –
das hätte
sie
verstehen und in gewisser Weise nachempfinden können; sie hatte selbst diese plötzliche, überwältigende Liebe erlebt, die alle Hindernisse überwindet. Die Liebe hatte sie wie ein Blitzschlag getroffen und all ihre Hoffnungen zunichte gemacht, ihre Ehe mit Artus könne gut und sittsam werden. Sie war statt dessen zu einem Fluch geworden. Aber Gwenhwyfar wußte, die Liebe kam von selbst. Weder sie noch Lancelot hatten sich dagegen wehren können und mußten sich damit abfinden. Sie hätte verstanden, wenn Nimue das gleiche widerfahren wäre; obwohl Kevin, der Merlin, ein höchst unwahrscheinlicher Grund einer solchen Leidenschaft sein konnte.
    Aber
das
war es nicht… ihr war nicht klar, wieso sie es wußte. Aber sie war sich dessen sicher.
Einfache Lust?
Auf Kevins Seite vielleicht – Nimue war schön. Der Merlin war vorsichtig, aber Nimue hätte jeden Mann verführen können. Gwenhwyfar konnte nicht glauben, daß Nimue für einen solchen Mann entflammt sein sollte, nachdem sie Gwenhwyfars gutaussehende junge Ritter zwar höflich aber kühl behandelte. Nimue spürte, daß Gwenhwyfar sie beobachtete, aber sie wendete den Blick nicht von Kevin.
In gewisser Weise,
dachte Nimue,
verzaubere ich ihn.
Ihre Aufgabe verlangte, daß er sich ihr völlig auslieferte – er mußte ihr Sklave und ihr Opfer werden. Wieder unterdrückte sie das aufsteigende Mitleid. Der Mann vor ihr hatte Schlimmeres getan, als einfach die Mysterien oder die geheimen Lehren zu enthüllen. Er hatte die Heiligen Insignien den Christen in die Hände gespielt,

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