Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
wie die meisten von euch. Wenn er aber hier bei meinem Volke bleibt, wird er lange leben, sehr lange… beinahe ewig, wie
du
sagen würdest… vielleicht als Magier oder Zauberer, unter Bäumen und wilden Geschöpfen, die kein Mensch je gezähmt hat. Bleib hier, Mädchen, gib mir das kleine Kind, das du nicht haben willst. Danach kehre zurück zu deinem Volk im Bewußtsein, daß er glücklich ist und ihm nichts Böses widerfährt.«
    Morgaine spürte plötzlich eine tödliche Kälte in sich aufsteigen. Sie wußte, die Frau vor ihr war nicht ganz Mensch. In ihr selbst floß etwas von dem Elfenblut –
Morgaine, die Fee,
der Name, mit dem auch Lancelot sie verspottet hatte. Sie wich vor der Frauenhand zurück und rannte auf den Pfad zu, den man ihr gewiesen hatte, rannte wie von Furien gehetzt. Die Frau rief ihr nach: »Stoße dein Kind ab oder erwürge es bei der Geburt, Fee Morgaine, denn dein Volk hat sein eigenes Schicksal… und was widerfährt dem Sohn des Königshirsches? Der König muß sterben und gestürzt werden, wenn seine Zeit gekommen ist…« Aber die Stimme verhallte, während Morgaine in die Nebel stürzte. Sie rannte, stolperte; dornige Ranken griffen nach ihr, warfen sie zu Boden und zerkratzten sie auf ihrer panischen Flucht. Schließlich durchbrach sie das Verhangene und starrte in die gleißende Sonne. Schweigen umgab sie, und Morgaine wußte, daß sie wieder auf dem vertrauten Boden von Avalon stand.
    Am Himmel zeigte sich wieder kein Mond. Avalon lag unter Dunst und Sommernebeln. Aber Viviane war schon so lange Priesterin, daß sie den Mondwechsel spürte, als fände er in ihrem Körper statt.
    Schweigend ging sie in ihrem Zimmer auf und ab. Nach einer Weile befahl sie einer Priesterin: »Bringe mir meine Harfe.« Aber als sie das Instrument aus hellem Weidenholz auf den Knien hielt, glitten ihre Finger nur gedankenverloren über die Saiten. Sie besaß weder den Willen noch den Mut, Musik zu machen.
    Die Nacht verblaßte, und der Morgen dämmerte. Viviane erhob sich und langte nach einer kleinen Lampe. Die diensttuende Priesterin eilte aus dem Nebenraum herbei, in dem sie schlief. Aber Viviane schüttelte schweigend den Kopf und bedeutete ihr mit einer Geste, sich wieder zu Bett zu legen. Geräuschlos wie ein Geist ging sie den Pfad zum Haus der Jungfrauen hinunter und schlich sich leise wie eine Katze in Morgaines Kammer.
    Sie ging zum Bett und blickte auf das schlafende Gesicht, das dem ihren so ähnlich war. Morgaine hatte im Schlaf noch immer das Gesicht des kleinen Mädchens, das vor vielen Jahren nach Avalon gekommen war, und das Viviane so sehr in ihr Herz geschlossen hatte. Die Haut unter den dunklen Wimpern war bläulich wie von einem Schlag, und die Augenränder waren gerötet, als habe Morgaine bitterlich geweint.
    Viviane hob die Lampe und betrachtete lange ihre schlafende Nichte. Sowenig sie Igraine und Morgause, die sie an der eigenen Brust
    genährt hatte, mochte, so sehr liebte sie Morgaine. Keinen der Männer hatte sie so geliebt, die ihr Bett eine Nacht oder auch etliche Monate teilten – noch nicht einmal Raven, die sie bereits mit sieben Jahren auf ihren Weg als Priesterin vorbereitet hatte. Nur einmal hatte sie diese brennende Liebe gespürt, diesen inneren Schmerz, als bereite ihr jeder Atemzug des geliebten Menschen unsägliche Pein, und zwar für die Tochter, die sie im ersten Jahr nach ihrer Priesterweihe geboren hatte. Das Mädchen erlebte kaum sechs Monde. Viviane mußte sie begraben, als sie selbst noch nicht ganz fünfzehn war.
    Damals weinte sie zum letzten Mal. Vom Augenblick, in dem man ihr die Tochter in den Arm legte bis zum letzten Atemzug des zarten Kindes, hatte sie in einem Wahn aus Liebe und Schmerz gelebt, als sei das geliebte Wesen ein Teil ihres Körpers. Jeden Augenblick der Zufriedenheit oder des Leids erlebte sie selbst. Inzwischen lag das ein ganzes Leben zurück. Viviane wußte, die Frau, die zu sein der kleine Mensch bestimmt war, lag im Haselhain begraben.
    Und die Frau, die das winzige Grab tränenlos verließ, war ein anderer Mensch – Gefühle ihrer Art erreichten sie nicht mehr. Sie war zufrieden gewesen, manchmal sogar glücklich… aber nicht mehr dieselbe Frau! Sie hatte ihre Söhne geliebt, sich aber vom Augenblick ihrer Geburt damit abgefunden, sie an Pflegemütter zu verlieren.
    Sie hatte sich erlaubt, Raven ein wenig zu lieben… und manchmal dachte Viviane im tiefsten Innern ihres Herzens, die Göttin habe ihr die eigene Tochter in

Weitere Kostenlose Bücher