Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
sittsame Gemahlin zu sein, als er bei Euch lag?«
Igraine machte große Augen. Sie hatte Gerüchte gehört, sie habe Uthers Sohn in unziemlicher Eile geboren, aber diese Darstellung kannte sie noch nicht. »Erzählt man sich das?«
»Manchmal, Herrin. Die Barden singen Balladen darüber.«
»Es stimmt nicht«, entgegnete Igraine. »Er trug Gorlois' Umhang und seinen Ring, den er ihm beim Kampf abgenommen hatte… Gorlois verriet seinen Großkönig und verwirkte dadurch sein Leben. Man mag erzählen, was man will, ich wußte sehr wohl, daß es Uther war und kein anderer.« Sie schluckte. Selbst heute noch kam es ihr vor, als sei Uther am Leben und irgendwo auf einem Feldzug…
»Habt Ihr Uther geliebt? Es war also kein Zauber des Merlin?«
»Gewiß«, antwortete Igraine, »ich liebte ihn sehr! Obwohl ich glaube, anfangs wollte er mich nur, weil ich der alten Königslinie von Avalon entstamme. Und so siehst du, eine Ehe, die zum Besten des Reichs geschlossen wird, kann sehr glücklich werden. Ich habe Uther geliebt, und ich wünsche dir dasselbe Glück. Ich hoffe, daß ihr, du und mein Sohn, euch ebenso lieben werdet.«
»Das hoffe ich auch.« Gwenhwyfar umklammerte Igraines Hand. Igraine dachte:
Sie hat so kleine, zarte Finger, die man leicht zerdrücken
kann. Das sind keine Hände, mit denen man kleine Kinder oder verwundete Männer pflegen kann; sie sind für feine Nadelarbeiten oder Gebete geschaffen. Leodegranz hätte das Kind im Kloster lassen und Artus sich eine andere Braut suchen sollen. Es wird geschehen, wie Gott es will.
Sie hatte Mitleid mit Gwenhwyfar, aber sie bedauerte auch Artus, weil seine Braut so kindlich und ängstlich war. Und doch, als man sie damals zu Gorlois schickte, unterschied sie sich wenig von diesem Mädchen. Vielleicht würde Gwenhwyfar mit den Jahren stärker werden.
Mit den ersten Sonnenstrahlen wurde es im Lager lebendig. Die Männer machten sich für den Marsch bereit, der sie nach Caerleon bringen sollte. Gwenhwyfar wirkte bleich und geschwächt; als sie versuchte aufzustehen, wendete sie sich zur Seite und übergab sich.
Einen Augenblick lang hegte Igraine einen schlimmen Verdacht, schob ihn aber beiseite. Dieses schüchterne und tugendsame Mädchen war krank vor Angst, mehr nicht. Igraine sagte energisch: »Ich habe Euch vorausgesagt, daß es Euch in der Sänfte übel werden wird. Heute müßt Ihr aufs Pferd steigen und an der frischen Luft bleiben, sonst bringen wir Euch mit blassen, anstatt mit rosigen Wangen zu Eurem Bräutigam.« Und insgeheim dachte sie:
Wenn ich noch einen Tag hinter geschlossenen Vorhängen reisen soll, werde ich noch verrückt. Das wäre sicher eine denkwürdige Hochzeit: Die Braut krank und blaß, und die Mutter des Bräutigams rasend vor Zorn.
»Steigt aufs Pferd und reitet. Dann wird Lancelot Euch Gesellschaft leisten, Euch unterhalten und aufheitern.«
Gwenhwyfar flocht ihre Haare und gab sich die Mühe, ihren Schleier zu drapieren. Sie aß wenig, trank aber einen Schluck Gerstenbier. Sie steckte sich ein Stück Brot ein und sagte, sie wolle es später beim Reiten essen.
Lancelot war seit dem Morgengrauen auf den Beinen. Igraine wandte sich an ihn: »Ihr müßt bei der Prinzessin reiten, Herr Ritter. Sie ist niedergeschlagen, denn es ist das erste Mal, daß sie ihr Elternhaus verläßt.«
Er strahlte und antwortete lächelnd: »Es wird mir ein Vergnügen sein, Herrin.«
Igraine ritt hinter den jungen Leuten her und freute sich, ihren Gedanken nachhängen zu können. Wie gut sie aussahen – der dunkle, lebhafte Lancelot und die goldblonde Gwenhwyfar mit ihrer weißen Haut. Auch Artus war blond; ihre Kinder würden bildhübsch sein. Überrascht stellte sie fest, daß sie sich darauf freute, Großmutter zu werden. Wie schön würde es sein, kleine Kinder um sich zu haben, sie zu verwöhnen und mit ihnen zu spielen. Aber es wären nicht ihre Kinder. Sie müßte sich keine Sorgen und Gedanken um sie machen. In angenehme Gedanken versunken ritt Igraine dahin; sie hatte im Kloster gelernt, sich ihren Tagträumen hinzugeben. Sie betrachtete die jungen Leute, die Seite an Seite vor ihr herritten, und ihr fiel auf, daß Gwenhwyfar aufrecht auf dem Pferd saß, wieder Farbe im Gesicht hatte und lächelte. Es war richtig gewesen, sie aus der Sänfte zu holen. Dann bemerkte sie, wie die beiden sich ansahen.
Guter Gott! Mit diesen Blicken verschlang Uther mich, als ich noch mit Gorlois vermählt war – als sei er am Verhungern und ich die Nahrung, an
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