Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
wenn er mit den anderen Königen an der Tafel saß, brauchte er keinen höher als die anderen zu setzen… deshalb dachte mein Vater, er sei das Richtige für einen Großkönig, der seine edlen Ritter um sich versammeln muß, ohne einen zu bevorzugen.«
»Ein wahrhaft königliches Geschenk«, räumte Lancelot höflich ein. »Aber wir brauchen drei Paar Ochsen, um den Karren zu ziehen, und Gott weiß wieviele Tischler und Schreiner, um ihn am Ziel wieder zusammenzubauen. Und wir kommen nicht wie eine Gruppe Berittener voran, sondern müssen uns den langsamen Ochsen beugen. Aber was macht es schon, ohne Euch kann die Hochzeit nicht beginnen, Herrin.« Er reckte den Kopf, lauschte und rief: »Ich komme sofort! Ich kann nicht überall gleichzeitig sein!« Er verbeugte sich: »Meine Damen, ich muß den Trupp in Marsch setzen! Darf ich Euch auf die Pferde helfen?«
»Ich glaube, Gwenhwyfar möchte in der Sänfte reisen«, sagte Igraine.
Lancelot erwiderte lächelnd: »Oh, das ist, als ob die Sonne sich hinter einer Wolke verbirgt… aber ganz wie es Euch gefällt, Herrin. Ich hoffe, Ihr werdet Euren Glanz ein andermal über uns erstrahlen lassen.«
Wie immer, wenn Lancelot so hübsche Dinge sagte, fühlte Gwenhwyfar sich angenehm verlegen. Sie wußte nie, ob er es ernst meinte oder sich über sie lustig machte. Als er davonritt, fürchtete sie sich plötzlich wieder. Die riesigen Pferde, die vielen Männer, die hin und her eilten – es schien fast ein Heer zu sein und sie nicht mehr als ein unwichtiges Gepäckstück… eine Kriegsbeute. Schweigend ließ sie sich von Igraine in die Sänfte helfen, in der Kissen und eine Pelzdecke lagen, und verkroch sich in eine Ecke.
»Soll ich die Vorhänge offen lassen, damit Licht und Luft hereinkommen?« fragte Igraine und ließ sich auf den Kissen nieder.
»Nein, nein!« rief Gwenhwyfar mit erstickter Stimme, »ich… mir geht es besser, wenn sie geschlossen sind.«
Achselzuckend zog Igraine die Vorhänge zu. Durch einen Spalt beobachtete sie, wie die vordersten Reiter sich in Marsch setzten und die Wagen ihnen folgten. Ja, diese Männer waren wirklich eine königliche Mitgift! So viele bewaffnete Ritter, die Artus' Armee verstärken würden… nach allem, was sie gehört hatte, glichen sie beinahe einer römischen Legion. Gwenhwyfar lag mit blassem Gesicht und geschlossenen Augen in den Kissen.
»Seid Ihr krank?« erkundigte Igraine sich erstaunt.
Gwenhwyfar schüttelte den Kopf: »Es ist nur… alles so groß…«, antwortete sie. »Ich… fürchte mich«, flüsterte sie.
»Ihr fürchtet Euch? Aber mein liebes Kind…« Sie sprach nicht zu Ende, aber nach einem Augenblick sagte sie: »Bald wird es dir bessergehen.«
Gwenhwyfar vergrub das Gesicht in den Armen und bemerkte kaum, daß die Sänfte sich in Bewegung setzte. Sie zwang sich in eine Art Halbschlaf, denn nur so konnte sie ihre Furcht in Grenzen halten. Wohin gingen sie, unter diesem riesigen, grauen, alles bedeckenden Himmel, über endlose Sümpfe und die vielen Hügel? Der Knoten der Angst in ihrem Magen zog sich enger und enger. Von überall her drangen die Geräusche von Pferden und Männern – ein marschierendes Heer. Sie gehörte lediglich zur Ausstattung, wie die Pferde, die Männer, ihre Ausrüstung und die Met-Tafel. Sie war nur eine Braut, mit allem, was dazugehörte: Wäsche, Gewänder, Edelsteine, ein Webstuhl, ein Kessel, Kämme und Hechler für den Flachs. Sie war nicht sie selbst; für sie blieb kein Platz. Sie gehörte nur zur Habe eines Großkönigs, der sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hatte, zu kommen und sich die Frau anzusehen, die man ihm mit all den Pferden und Waffen schickte. Sie war auch nur eine Stute, eine Zuchtstute für das Gestüt des Großkönigs, von der man sich einen königlichen Sohn erhoffte.
Gwenhwyfar glaubte, an dem Zorn zu ersticken, der plötzlich in ihr tobte. Aber nein, sie durfte nicht zürnen… es schickte sich nicht. Die Schwester Oberin im Konvent hatte ihr gesagt, es sei die Aufgabe einer Frau, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Gwenhwyfar wollte lieber Nonne werden und im Kloster bleiben; sie hätte gern noch besser lesen gelernt und mit Pinsel und Feder schöne Buchstaben gemalt. Aber das ziemte sich nicht für eine Prinzessin. Sie mußte sich dem Willen des Vaters beugen, als sei sein Wille Gottes Gebot. Frauen mußten sich besonders darum bemühen, dem Willen Gottes zu gehorchen, denn die Erbsünde war durch ein Weib in die Welt gekommen. Keine Frau
Weitere Kostenlose Bücher