Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
schon ausgewählt… Es ist eine Feste auf einem Hügel, die schon lange vor den Römern dort stand. Sie überblickt den See und ist nicht weit entfernt vom Inselreich Eures Vaters, Gwenhwyfar. Ihr kennt die Stelle, wo der Fluß in den See mündet…«
»Ich weiß«, erwiderte sie. »Als kleines Kind ging ich einmal dorthin, um Erdbeeren zu pflücken. Es gibt dort einen verfallenen Brunnen. Wir fanden Elfenpfeile, die das Alte Volk, das dort auf den Kreidehügeln lebte, zurückgelassen hat.«
Wie seltsam,
überlegte Gwenhwyfar,
daran zu denken, daß es eine Zeit gab, in der ich mich wirklich gern unter dem großen weiten Himmel aufhielt. Damals fragte ich nicht nach Mauern oder einem sicheren Garten. Jetzt wird mir übel und schwindlig, wenn ich mich so weit von den Mauern entferne, daß ich sie nicht berühren oder gar sehen kann. Manchmal spüre ich den Knoten der Angst in meinem Magen, wenn ich nur über den Burghof gehe. Dann muß ich mich beeilen, wieder in meine Gemächer zu kommen.
»Der Platz ist leicht zu befestigen«, sagte Artus. »Obwohl ich hoffe, daß friedliche Zeiten für das Land anbrechen, wenn wir die Sachsen verjagt haben.«
»Ein unwürdiger Wunsch für einen Kriegsmann, Bruder«, sagte Cai. »Was wollt Ihr denn in Friedenszeiten tun?«
»Ich werde Kevin, den Barden, bitten, daß er Lieder dichtet. Ich werde meine Pferde selbst zureiten und zu meinem Vergnügen durch das Land ziehen«, entgegnete Artus. »Meine Söhne und die Söhne meiner Ritter werden aufwachsen, ohne daß jede kleine Hand ein Schwert hält, ehe sie alt genug dazu ist. Ich muß nicht befürchten, daß sie getötet oder zu Krüppeln werden, noch ehe sie erwachsen sind. Cai… wäre es nicht besser gewesen, Ihr hättet nicht in den Krieg ziehen müssen, ehe Ihr alt genug wart, um Euch selbst zu schützen? Manchmal glaube ich, es war nicht recht, daß Ihr verwundet wurdet und nicht ich, weil Ectorius mich Uther heil und ganz übergeben wollte!«
Er sah Cai liebevoll und besorgt an, und sein Ziehbruder lachte zurück.
»Und«, warf Lancelot ein, »wir werden die Kriegskünste durch Spiele am Leben halten, wie man es in früherer Zeit tat, und den Sieger mit Lorbeerkränzen krönen… was ist Lorbeer, Artus? Wächst er hier auf der Insel oder nur im Land von Achilles und Alexander?«
»Der Merlin könnte Euch das sagen«, antwortete Morgaine, als sie Artus' verblüfftes Gesicht sah. »Ich weiß auch nicht, ob bei uns der Lorbeer wächst. Aber es gibt genügend andere Pflanzen, aus denen wir den Siegern Eurer Spiele Kränze flechten können.«
»Auch den Harfenspielern werden wir Preise überreichen«, sagte Lancelot. »Singt, Morgaine.«
»Ich singe besser jetzt«, sagte Morgaine. »Denn ich nehme nicht an, daß Ihr bei Euern Männerspielen erlauben werdet, daß Frauen singen.«
Sie nahm die Harfe und begann zu spielen. Sie saß nicht weit entfernt von der Stelle, wo sie heute nachmittag gesessen hatte, als das Blut auf den Herd des Königs spritzte… würde es wirklich geschehen oder war alles nur Einbildung? Warum sollte sie überhaupt noch glauben, daß sie die Gabe des Gesichts hatte? Sie sah nur noch, wenn sie gegen ihren Willen in Trance fiel… Morgaine sang eine alte Klage, die sie in Tintagel gehört hatte… die Klage einer Fischersfrau, die zusehen mußte, wie die Boote ohne Rettung aufs Meer hinausgetrieben wurden. Morgaine wußte, sie konnte mit ihrer Stimme alle in ihren Bann ziehen. Schweigen breitete sich aus. Sie sang die alten Lieder von den Inseln, die sie an Lots Hof gehört hatte… die Legende einer Seejungfrau, die das Meer verließ, um einen sterblichen Geliebten zu finden… Lieder der einsamen Hirtinnen… Lieder, die man beim Spinnen und Flachskämmen sang.
Ihre Zuhörer verlangten immer mehr, selbst als sie müde wurde. Morgaine hob schließlich abwehrend die Hand. »Genug… nein, wirklich, ich kann nicht mehr. Ich krächze schon wie ein Rabe.«
Bald darauf befahl Artus den Dienern, die Fackeln in der Halle zu löschen und die Gäste zu ihren Kammern zu geleiten. Es gehörte zu Morgaines Aufgaben, darauf zu achten, daß die unvermählten Hofdamen der Königin in dem großen Raum hinter dem Gemach der Königin sicher in ihren Betten lagen – weit entfernt von den Kriegern und Bewaffneten. Aber sie blieb noch einen Augenblick sitzen und beobachtete Artus und Gwenhwyfar, die Lancelot eine gute Nacht wünschten.
»Ich habe den Frauen befohlen, Euch das beste freie Bett zurechtzumachen«,
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