Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
schwanger geworden wäre.
Es ist unwahrscheinlich, daß ich nach den Verletzungen bei Gwydions Geburt noch einmal empfangen hätte… aber ich hätte ihm das nicht sagen müssen. Ich hätte ihn glücklich machen können – selbst ohne Sohn. Es gab eine Zeit, als er mich wollte… ehe er Gwenhwyfar zum ersten Mal sah, aber auch danach… ohne den unglückseligen Zwischenfall hätte er die Königin in meinen Armen vergessen… Und ich bin begehrenswert… als ich heute abend sang, haben mich viele Ritter verlangend angesehen… Ich könnte Lancelots Verlangen nach mir wecken…
Elaine flüsterte ungeduldig: »Kommst du nicht, Morgaine?«
»Nein… ich glaube, ich gehe noch einmal an die frische Luft«, antwortete Morgaine. Den Frauen der Königin war das verboten. Elaine schlug erschrocken die Hände vor das Gesicht. Manchmal trieb sie Morgaine mit dieser Zimperlichkeit zur Verzweiflung. Hatte Elaine sich vielleicht bei der Königin angesteckt wie mit einem Fieber, oder war es eine neue Mode?
»Hast du keine Angst vor all den Männern, die überall kampieren?«
Morgaine lachte: »Glaubst du, ich bin es nicht leid, allein zu liegen?«
Sie bemerkte, daß sie Elaine verletzt hatte und sagte freundlicher: »Ich bin die Schwester des Königs. Niemand würde mich gegen meinen Willen anrühren. Hältst du mich wirklich für so verführerisch, daß mir kein Mann widerstehen kann? Ich bin nun sechsundzwanzig, keine zarte Jungfrau wie du, Elaine.«
Ohne sich auszukleiden, legte sich Morgaine neben Elaine. Wie sie gefürchtet hatte, sah sie in der Dunkelheit Bilder vor ihren Augen – Phantasie oder das Gesicht? Artus und Gwenhwyfar… Männer und Frauen, die sich überall in der Burg in Liebe oder auch nur in Lust vereinigten. Und Lancelot… war er auch allein? Die Erinnerung verdrängte ihre Phantasien, und sie dachte an den Tag im strahlenden Sonnenschein auf dem Gipfel des Berges. Sie spürte wieder Lancelots Küsse, unter denen ihr Körper erwachte… und das bittere Bedauern, daß sie der Göttin geweiht gewesen war. Und dann… bei Artus' Hochzeit hatte er ihr beinahe die Kleider vom Leib gerissen und sie fast im Stall genommen… damals begehrte er sie…
Jetzt stand ihr plötzlich ein Bild vor Augen: Lancelot ging allein im Burghof hin und her. Sein Gesicht war versteinert vor Einsamkeit und Enttäuschung… ich habe weder das Gesicht benutzt noch meinen Zauber, um ihn selbstsüchtig an mich zu ziehen… dieses Bild hat sich mir aufgedrängt…
Vorsichtig befreite sich Morgaine aus Elaines Arm, um sie nicht zu wecken, und glitt leise aus dem Bett. Sie hatte vorhin nur die Schuhe ausgezogen und beugte sich nun hinunter, um sie anzuziehen. Dann verließ sie geräuschlos wie ein Schatten aus Avalon den Raum.
Wenn es ein Traum war, der meiner Phantasie entsprungen ist… wenn er nicht da ist, werde ich im Mondlicht umhergehen und meine Erregung kühlen. Dann gehe ich zurück ins Bett… Daran ist nichts Schlechtes.
Aber das Bild ließ sich nicht verdrängen, und sie wußte, daß Lancelot allein im Freien war und nicht schlafen konnte. Auch er kam aus Avalon
… der Mond liegt auch ihm im Blut…
Morgaine stahl sich geräuschlos an der dösenden Wache vorbei und warf einen Blick zum Himmel hinauf. Die hellen Strahlen des Viertelmonds erleuchteten den gepflasterten Platz vor den Ställen.
Nein … hier nicht… um die Ecke.
Einen Augenblick lang dachte sie:
Er ist nicht da. Es war ein Traum. Meine Phantasie hat mich getäuscht …
Beinahe hätte Morgaine sich umgedreht und wäre wieder ins Bett gegangen, denn sie schämte sich plötzlich – angenommen, der Wachposten entdeckte sie, dann würden alle wissen, daß die Schwester des Königs durch das Haus schlich, wenn alle anständigen Leute schon lange schliefen – zweifellos suchte sie ein Abenteuer…
»Wer da? Bleibt stehen! Zeigt Euch!« Die leise Stimme klang streng… Lancelots Stimme! Trotz der freudigen Erregung fürchtete sich Morgaine. Das Gesicht hatte sich bewahrheitet, aber was jetzt? Lancelots Hand lag am Schwertknauf. Im Schatten wirkte er sehr groß und schmal.
»Morgaine?« fragte er weich, und die Hand fiel vom Schwert. »Bist du es, Base?«
Sie trat aus dem Schatten. Sein wachsames, besorgtes Gesicht wurde freundlich, als er sie sah.
»So spät noch auf? Suchst du mich… ist etwas geschehen? Mit Artus… der Königin…«
Selbst jetzt denkt er nur an die Königin!
Morgaine spürte in den Fingerspitzen und Fußknöcheln prickelnde Erregung
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