Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
…
Am nächsten Tag sagte die Herrin, am Abend würde ein Fest stattfinden; sie bat Morgaine, einen oder zwei Tage zu bleiben und mit ihnen zu tanzen. Morgaine willigte ein… Es schien so lange her zu sein, seit sie zum letzten Mal getanzt hatte und fröhlich gewesen war. Aber als sie sich überlegte, was für ein Fest es wohl sein mochte, fiel ihr keines ein… sicher war es noch nicht Zeit für die Tag-und Nachtgleiche. Aber sie sah weder Sonne noch Mond, um sich Klarheit zu verschaffen.
Man schmückte sie mit einem Kranz aus leuchtenden Sommerblumen, denn die Herrin sagte: »Du bist keine unerfahrene Jungfrau mehr.« Es war eine sternenlose Nacht, und es beunruhigte Morgaine, daß sie den Mond nicht sah, denn tagsüber hatte auch keine Sonne geschienen. War ein Tag, waren zwei oder drei Tage verflossen? Die Zeit schien Ewigkeit zu sein. Morgaine aß, wenn sie Hunger hatte, und schlief, wenn sie müde wurde; entweder schlief sie allein oder auf einem Bett, das so weich war wie Gras, neben einer der Hofdamen der Herrin. Einmal stellte sie überrascht fest, daß das Mädchen… ja, sie ähnelte Raven… ihr die Arme um den Hals schlang und sie küßte; Morgaine erwiderte die Küsse ohne Überraschung oder Scham. Wie im Traum waren merkwürdige Dinge ganz selbstverständlich, und Morgaine nahm sie nur leicht überrascht hin.
Aber alles schien so natürlich; sie lebte in einem wunderbaren Traum. Manchmal fragte sie sich, was wohl mit ihrem Pferd geschehen war; und wenn sie daran dachte weiterzureiten, erklärte die Herrin: »Noch nicht, bleib bei uns…« Jahre später, als Morgaine versuchte, sich daran zu erinnern, was ihr auf der Burg Chariot widerfahren war, sah sie sich auf dem Schoß der Herrin sitzen und an ihrer Brust trinken. Es erschien ihr nicht ungewöhnlich, daß sie, eine erwachsene Frau, wie ein Kind auf dem Schoß seiner Mutter geküßt und verwöhnt wurde. Aber sicher war das nur ein Traum gewesen, nachdem der süße, starke Wein sie eingeschläfert hatte… Manchmal erschien es ihr, als
sei
die Herrin hier, Viviane, und Morgaine überlegte:
Bin ich krank. Habe ich Fieber? Träume ich diese merkwürdigen Dinge?
Sie ging mit den Hofdamen in den Wald und suchte Wurzeln und Kräuter, die Jahreszeit schien die Natur nicht zu berühren. Und auf dem Fest… in der zweiten Nacht, oder in einer anderen?… tanzte sie zum Klang der Harfen; wieder griff auch sie zur Harfe und spielte auf, und ihre Musik klang traurig und fröhlich zugleich.
Einmal stolperte sie beim Beeren- und Blumensuchen über etwas und sah die weißen, gebleichten Knochen eines Tiers. Um den Hals lagen die Überreste eines Lederriemens und daran hing ein kleines Stück roten Tuchs – so ähnlich hatte ihre Tasche ausgesehen, in die sie bei ihrer Abreise aus Caerleon ihre Habe gelegt hatte. Was, so fragte sie sich, war mit ihrem Pferd geschehen? Stand es gut versorgt in einem der Ställe hier? Sie hatte in der Feenburg keine Stallungen gesehen, vermutete aber, daß es sie irgendwo gab. Im Augenblick genügte es, wie verzaubert zu tanzen, zu singen, die Zeit verrinnen zu lassen … Einmal führte sie der Mann, der sie hierher geleitet hatte, aus dem Ring der Tanzenden hinaus. Seinen Namen hatte sie nie erfahren. Wie war es möglich, daß die Himmelsläufe von Mond und Sonne so stark in ihr pulsierten, obwohl sie weder Sonne noch Mond sah?
»Du trägst ein Messer bei dir«, sagte er. »Du mußt es ablegen. Ich kann es in meiner Nähe nicht ertragen.«
Sie löste das Lederband, an dem es an ihrer Hüfte hing, und warf es weit von sich. Sie wußte nicht, wohin es fiel. Dann kam er zu ihr. Sein dunkles Haar legte sich über ihre Haare. Sein Mund schmeckte süß nach Beeren und dem starken Getränk aus Heidekraut. Er entkleidete sie. Sie hatte sich an die Kälte gewöhnt… es machte ihr nichts aus, daß das Gras kalt war und daß sie nackt unter ihm lag. Sie berührte ihn. Sein Körper war warm, sein kräftiges Geschlecht war heiß und stark. Mit kraftvollen und leidenschaftlichen Händen öffnete er ihre Schenkel. Ihr Körper nahm ihn so hungrig in sich auf wie eine Jungfrau. Sie bewegte sich mit ihm und spürte das Hin und Her der pulsierenden Ströme der Erde…
Dann fürchtete sie sich… sie wollte kein Kind von ihm haben. Gwydions Geburt war so schwierig gewesen, noch ein Kind würde sie sicher töten. Aber als sie sprechen wollte, legte er ihr sanft die Hand auf den Mund, und sie wußte, er konnte ihre Gedanken lesen.
»Hab davor
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