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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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stattfindet. Wir beobachten die Zeit am Wechsel des Jahres und am Lauf der Sonne. Es ist das erste Geheimnis der Priester. Im Feen-land wußte ich nichts vom Vergehen der Zeit, und für mich verging sie nicht. Als ich in die Welt zurückkehrte, entdeckte ich Falten in Gwenwyfars Gesicht, und Elaines bezaubernde jugendliche Schönheit verblaßte bereits. Aber meine Hände waren nicht dünner geworden, in meinem Gesicht zeigten sich keine Fältchen, und obwohl in unserer Familie das Haar früh ergraut – Lancelot hatte bereits mit neunzehn etliche graue Strähnen im Haar – waren meine Haare schwarz wie die Schwingen einer Krähe und unberührt von der Zeit.
    Ich glaube, inzwischen trifft dies auch auf Avalon zu. Und es begann, nachdem die Druiden die Insel der Welt des ständigen Rechnens und Zählens entrückt hatten. In Avalon fließt die Zeit nicht unbemerkt wie in einem Traum… wie im Feenland. Aber die Zeit hat sich tatsächlich verschoben. Wir sehen hier den Mond und die Sonne der Göttin und bestimmen den Zeitpunkt für die Rituale mit Hilfe der Ringsteine, und so entgleitet uns die Zeit nicht völlig. Aber sie verläuft nicht gleichmäßig wie anderswo. Obwohl man annehmen könnte, wenn der Lauf von Sonne und Mond wirklich bekannt ist, müßte die Zeit in Avalon vergehen wie in der äußeren Welt… trotzdem ist es nicht so. In den letzten Jahren konnte ich einen Monat in Avalon verbringen, und wenn ich die Insel verließ, stellte ich fest, daß draußen eine ganze Jahreszeit vergangen war. Und in den letzten Jahren verließ ich Avalon selten, denn ich hatte wenig Neigung, das Treiben der Welt draußen mitanzusehen. Wenn die Menschen feststellten, daß ich jung blieb, nannten sie mich immer öfter Fee oder Hexe.
    Aber das war lange, lange danach.
    Denn als ich Ravens furchterregenden Schrei hörte, der in die Räume zwischen den Welten drang und selbst meinen Geist in dem zeitlosen Traum der Feenwelt erreichte, machte ich mich auf den Weg… aber nicht nach Avalon.

12
    In der Welt draußen fiel das strahlende Licht der Sonne durch die unruhigen Schatten der Wolken auf den See. Von weit her schallte das Läuten von Kirchenglocken. Bei diesem Klingen wagte Morgaine weder die Stimme zu erheben und das Wort der Macht zu sprechen, das die Barke rufen würde, noch die Gestalt der Göttin anzunehmen.
    Sie betrachtete sich im spiegelnden Wasser des Sees. Wie lange, fragte sie sich, hatte sie im Feenland geträumt? Der Zauber war von ihr gewichen, und obwohl sie glaubte, nur zwei oder drei Tage bei den Feen geweilt zu haben, wußte sie, es war lange gewesen. Ihr feines dunkles Gewand war ausgefranst und zerschlissen; irgendwann hatte sie ihren Dolch verloren oder weggeworfen. Jetzt erschienen ihr manche Erlebnisse in dem Zauberreich als Träume und Wahnsinn; und die Scham brannte ihr im Gesicht. Aber dazwischen mischten sich Erinnerungen an eine lieblichere Musik – solche Musik hatte sie nirgendwo auf der Welt, auch nicht in Avalon gehört. Nur einmal… bei der Geburt ihres Kindes, stand sie an der Grenze des Schattenlandes… damals hatte sie sich beinahe danach gesehnt, diese Grenze zu überschreiten, nur um die Musik dort zu hören. Sie erinnerte sich an den Klang ihrer eigenen Stimme, die zur Feenharfe sang – noch nie hatte sie so schön gesungen oder gespielt.
Ich würde gern zurückkehren und für immer dort bleiben!
Morgaine war nahe daran, wieder umzukehren. Doch die Erinnerung an Ravens Schrei beunruhigte sie.
    Artus hatte Avalon verraten und den Eid gebrochen, durch den er das Schwert Excalibur im Allerheiligsten der Druiden erhalten hatte. Viviane war in Gefahr, wenn sie Avalon verließ… Morgaine versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Und langsam fiel ihr alles wieder ein. Sie hatte Caerleon – es schien erst ein paar Tage her zu sein – im Spätsommer verlassen und Avalon nie erreicht. Jetzt sah es so aus, als würde sie nie mehr dorthin gelangen… traurig blickte sie hinüber zur Kirche auf dem Berg. Wenn sie sich auf der anderen Seite der Insel durch die Sümpfe nach Avalon schleichen könnte – aber der Pfad hatte sie ins Reich der Feen geführt…
    Dort hatte sie Dolch und Pferd verloren. Sie dachte an die gebleichten Knochen, und ein Schauder lief ihr kalt über den Rücken. Ihr fiel auf, daß die Kirche auf dem Berg anders aussah. Die Priester mußten daran gebaut haben. Und ein so großes Gebäude hätten sie nicht in einem, auch nicht in zwei Monaten errichten können… ängstlich

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