Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
das ihre dunkle Haut betonte und ihr gut zu Gesicht stand. Alle baten sie zu singen. Aber sie erwiderte, wenn Kevin zur Stelle sei, würde niemand dem Zwitschern eines Rotkehlchens lauschen, denn der Gesang der Nachtigall sei um vieles schöner…
Am nächsten Tag bat Kevin um eine vertrauliche Unterredung mit König Artus. Er, der Herr über ganz Britannien und Taliesin saßen viele Stunden beisammen, und man mußte ihnen sogar das Abendessen in Artus' Gemächern auftragen. Gwenhwyfar aber erfuhr nicht, worüber sie sprachen – Artus erzählte ihr wenig von Staatsgeschäften. Zweifellos machten sie ihm zornig Vorhaltungen, weil er seinen Schwur gebrochen hatte. Früher oder später mußte Avalon sich eben damit abfinden. Artus war jetzt ein christlicher König – und Gwenhwyfar mußte sich um andere Dinge kümmern.
In diesem Frühjahr brach das Fieber auf Camelot aus; einige der Hofdamen erkrankten daran, und Gwenhwyfar blieb bis nach Ostern keine Zeit, an etwas anderes zu denken. Die Königin hatte nie geglaubt, daß sie einmal über Morgaines Anwesenheit so froh sein würde. Denn Morgaine verstand viel von Heilkunst und Kräuterkunde, und Gwenhwyfar wußte sehr wohl, es war nur Morgaines Können zu verdanken, daß es keine Toten auf Camelot gab. Im ganzen Land-so erzählte man – waren viele Menschen gestorben, hauptsächlich Kinder und Alte. Auch ihre jüngere Halbschwester Isotta siechte dahin; als ihre Mutter davon erfuhr, wollte sie nicht, daß Isotta noch länger am Hofe blieb. Deshalb brachte man sie in das Inselreich zurück, und noch im selben Monat erhielt man Kunde von ihrem Tod.
Gwenhwyfar trauerte um das Mädchen – sie hatte es liebgewonnen und gehofft, sie mit einem von Artus' Rittern zu vermählen. Auch Lancelot erkrankte, und Artus ordnete an, daß er auf der Burg untergebracht und von Gwenhwyfars Hofdamen gepflegt wurde. Solange noch die Gefahr einer Ansteckung bestand, hielt sie sich von ihm fern – sie hatte geglaubt, wieder schwanger zu sein. Aber die Hoffnung trog, es war wieder nur Einbildung gewesen. Als es Lancelot allmählich besser ging, besuchte sie ihn oft und saß an seinem Bett.
Auch Morgaine gesellte sich zu ihnen und spielte auf ihrer Harfe, da Lancelot das Bett nicht verlassen durfte. Eines Tages sprachen sie über Avalon, und Gwenhwyfar bemerkte, wie Morgaine ihn ansah. Sie dachte:
Oh, sie liebt ihn noch immer!
Gwenhwyfar wußte, Artus hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben – die Verbindung von Morgaine und Lancelot. Krank vor Eifersucht saß sie dabei und beobachtete, wie Lancelot verzaubert Morgaine zuhörte.
Sie hat eine schöne Stimme, aber sie ist nicht schön. Sie ist so klug und gebildet
… Es
gibt soviele schöne Frauen. Elaine ist schön, Meleas und die Tochter von König Royns. Sogar Morgause ist schön. Aber warum sollte Lancelot darauf Wert legen?
Gwenhwyfar entging nicht, mit welcher Sanftheit Morgaine Lancelot aufrichtete, ihm die Kräutersäfte und die kühlenden Getränke reichte. Gwenhwyfar verstand nichts von Krankenpflege; sie saß hilflos daneben, während Morgaine sich mit ihm unterhielt, ihn aufheiterte und zum Lachen brachte.
Es wurde dunkel, und Morgaine sagte schließlich: »Ich kann die Saiten nicht mehr sehen und bin heiser wie eine Krähe… Ich kann nicht mehr singen. Du mußt jetzt deine Medizin nehmen, Lancelot. Dann schicke ich dir deinen Diener, der dich für die Nacht zurechtmacht…«
Mit säuerlichem Lächeln nahm Lancelot den Becher entgegen, den sie ihm in die Hand drückte: »Deine Medizin kühlt und lindert, Base. Aber der Geschmack, oh…«
»Trink«, befahl Morgaine lachend. »Solange du krank bist, hat Artus dich unter meinen Befehl gestellt…«
»O ja, und ich bezweifle nicht, daß ich Prügel beziehe und ohne Essen Schlafengehen muß, wenn ich mich weigere. Aber wenn ich meine Medizin nehme, bin ich ein gutes Kind, und bekomme außer einem Kuß auch noch ein Stück Honigkuchen.«
Morgaine lachte: »Honigkuchen darfst du noch nicht essen, aber einen hübschen Teller Hafersuppe. Wenn du deine Medizin schluckst, bekommst du einen Gutenachtkuß, und ich backe dir einen Honigkuchen, wenn du ihn wieder essen darfst.«
»Ja, Mutter«, antwortete Lancelot und rümpfte die Nase. Gwenhwyfar sah wohl, daß Morgaine dieser Spaß nicht gefiel; aber nachdem er den Becher geleert hatte, beugte sie sich über ihn und küßte ihn sanft auf die Stirn. Dann zog sie ihm die Decke bis unter das Kinn wie eine Mutter ihrem Kind in der
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