Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
zu sein, die ihm so wenig bedeutete… Dann konnte sie ihre Sünde durch das feste Versprechen büßen, nie mehr zu sündigen – solange er hier auf Camelot blieb, würde es ihr nie gelingen.
»Gut, ich werde noch einmal mit Lancelot darüber sprechen. Er behauptet, ihm stehe der Sinn nicht nach Vermählung. Aber ich werde ihm zu verstehen geben, daß er deshalb nicht vom Hofe muß. Wäre es nicht schön, wenn Lancelots Söhne eines Tages unseren Kindern treu ergeben sind?«
»Gott gebe, daß dieser Tag kommt«, antwortete Gwenhwyfar und bekreuzigte sich. Sie standen nebeneinander auf der hohen Mauer und blickten über das Sommerland, das sich zu ihren Füßen ausbreitete.
»Dort kommt ein Reiter«, sagte Artus und spähte auf den Weg, der zur Burg hinaufführte. Und als der Reiter näher kam, sagte er: »Es ist Kevin, der Barde. Er kommt aus Avalon. Diesmal war er wenigstens vernünftig genug, mit einem Diener zu reisen.«
»Das ist kein Diener«, erklärte Gwenhwyfar, und ihre scharfen Augen hefteten sich auf die Gestalt, die hinter Kevin auf dem Pferd saß. »Es ist eine Frau. Ich bin entsetzt… Ich hatte immer geglaubt, die Druiden seien wie die Priester und hielten sich von Frauen fern.«
»Oh, für manche gilt das auch, Liebling. Aber ich habe von Taliesin gehört, daß alle, die nicht die höchsten Weihen erhalten, heiraten dürfen. Und oft tun sie das auch«, erklärte er. »Vielleicht hat Kevin sich eine Frau genommen. Möglicherweise hat er aber auch nur jemanden unterwegs getroffen. Schicke eine deiner Frauen zu Taliesin, um ihm seine Ankunft zu melden, und eine andere in die Küche… Wenn wir heute abend Musik hören, ist es nur richtig, daß wir feiern. Nehmen wir doch diesen Weg und heißen ihn gleich willkommen… ein Großer Harfner wie Kevin verdient, daß ihn der König selbst begrüßt.«
Als sie das große Tor erreichten, hatte man es schon geöffnet, um den Barden in Camelot zu empfangen. Kevin verbeugte sich vor dem König; doch Gwenhwyfars Blick richtete sich auf die schlanke, ärmlich gekleidete Gestalt hinter ihm.
Morgaine verneigte sich und sagte: »So bin ich also an Euren Hof zurückgekehrt, mein Bruder.«
Artus umarmte sie: »Seid willkommen, meine Schwester… wir haben Euch lange nicht gesehen«, sagte er und drückte seine Wange an ihre. »Und nachdem unsere Mutter von uns gegangen ist, sollten wir, ihre Kinder, zusammenbleiben. Verlaßt mich nicht wieder, Schwester.«
Sie antwortete: »Das habe ich nicht vor.«
Gwenhwyfar trat zu ihr und umarmte sie ebenfalls. Sie spürte den mageren, knochigen Körper in ihren Armen und sagte: »Ihr müßt lange unterwegs gewesen sein, Schwester.«
»Ja, das stimmt… ich komme von weit her«, antwortete Morgaine, und sie gingen Hand in Hand zur Burg.
»Wo seid Ihr gewesen? Ihr wart so lange weg… Ich dachte schon, ich würde Euch nie wiedersehen«, sagte Gwenhwyfar.
»Ich dachte es fast auch«, antwortete Morgaine, und Gwenhwyfar fiel auf, daß sie nicht sagte, wo sie gewesen war.
»Eure persönlichen Dinge… die Harfe, die Gewänder… deine Habe ist in Caerleon geblieben. Morgen werde ich einen Boten schicken, der sie so schnell wie möglich hierherbringt«, sagte Gwenhwyfar und führte sie in die Gemächer ihrer Hofdamen. »Inzwischen gebe ich Euch ein Kleid von mir… Ihr müßt lange unterwegs gewesen sein, Schwester. Man könnte glauben, Ihr hättet im Kuhstall geschlafen. Seid Ihr überfallen und ausgeraubt worden?«
»Mich hat wirklich das Pech verfolgt«, erklärte Morgaine, »und ich bin Euch dankbar, wenn Ihr jemanden schickt, damit ich baden und mich anders kleiden kann. Darf ich Euch auch um einen Kamm, um Haarspangen und um ein Unterkleid bitten?«
»Meine Gewänder werden Euch zu lang sein«, antwortete Gwenhwyfar, »aber wir werden sie umstecken, bis Eure Garderobe hier ist. Kämme, Schleier und Untergewänder gebe ich Euch gern… Schuhe auch… diese hier sehen aus, als hättet Ihr die Insel zu Fuß durchmessen!« Sie winkte einer Kammerfrau und sagte: »Hole mein rotes Gewand und den Schleier dazu, ein Unterkleid, meine anderen Schuhe und Strümpfe. Bringe alles, damit die Schwester meines Gemahls standesgemäß gekleidet ist. Und rufe die Badefrau, sie soll eine Wanne vorbereiten.« Sie rümpfte die Nase, als Morgaine ihr Kleid auszog, und sagte: »Wenn man das nicht richtig lüften und waschen kann, gebt es einer der Frauen in der Meierei!«
Morgaine erschien an der Tafel des Königs in dem roten Gewand,
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