Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
zusammenzuringeln schien.
»Dein Vater wird alt, und er hat keinen Sohn«, begann Artus. »Wer wird nach ihm herrschen?«
»Ich weiß nicht… wahrscheinlich möchte er, daß du jemanden als Regenten für mich ernennst«, antwortete Gwenhwyfar. Eine ihrer Schwestern war im fernen Wales im Wochenbett gestorben; eine andere hatte die Belagerung ihrer Burg nicht überlebt. Die zweite Frau ihres Vaters hatte ihm keinen Sohn geboren, und somit war Gwenhwyfar die Erbin des Reichs. Aber wie sollte sie, eine Frau, das Land vor den gierigen Händen schützen, die sich nach ihm ausstreckten?
Gwenhwyfar richtete den Blick auf die Insel im Norden und fragte: »Wurde dein Vater… der Pendragon… auch auf der Dracheninsel zum König gemacht?«
»So hat es mir die Herrin vom See berichtet. Und er hat den Schwur geleistet, den Alten Glauben und Avalon zu schützen, wie ich es tat…« sagte Artus nachdenklich und blickte hinüber zur Dracheninsel.
Gwenhwyfar fragte sich, was für heidnischer Unsinn immer noch durch seinen Kopf zog.
»Aber du hast dich zu dem einen wahren Gott bekannt, und Er hat dir den größten aller Siege geschenkt. Nur deshalb konntest du die Sachsen für alle Zeiten von dieser Insel vertreiben.«
»Nein, nein, so kann man es nicht sagen«, erwiderte Artus. »Ich wiege mich nicht in dem Glauben, daß ein Land für alle Zeiten sicher sein kann. Es herrscht nur so lange Friede, wie Gott es will…«
»Und Gott hat dir all dieses Land gegeben, Artus, damit du als christlicher König darüber herrschst. Es ist wie in der Geschichte vom Propheten Elias… der Bischof hat sie mir erzählt… Der Prophet ging mit den Dienern Gottes hinaus vor die Stadt und traf die Priester des Baal. Jeder rief seinen Gott an, und der eine Gott war der größte. Baal war nur ein Götze, der stumm blieb. Wenn Avalon tatsächlich Macht besäße, glaubst du, Gott und die Jungfrau hätten dir einen solchen Sieg geschenkt?«
»Mein Heer hat die Sachsen vertrieben. Aber ich kann sehr wohl noch für den Eidbruch bestraft werden«, entgegnete Artus. Gwenhwyfar konnte es nicht ertragen, wenn sich Sorge und Angst auf seinem Gesicht zeigten.
Sie wendete den Blick nach Süden – wenn man sich anstrengte, konnte man gerade noch die Kirchturmspitze von Sankt Michael sehen, der Kirche auf dem Berg. Mönche hatten die Kirche errichtet, weil der Erzengel Michael Herr über die Unterwelt war und die heidnischen Götter mit seinem Flammenschwert daran hinderte, die Hölle zu verlassen. Aber manchmal verwischte sich das Bild vor ihren Augen, und sie sah statt dessen die Ringsteine auf der Bergspitze. Die Nonnen von Glastonbury hatten ihr erzählt, daß in den schlimmen heidnischen Tagen dort tatsächlich Ringsteine thronten. Die Mönche hatten sich große Mühe gegeben, sie zu stürzen und wegzuschleppen. Gwenhwyfar glaubte, sie sähe diese heidnische Welt nur, weil sie eine sündige Frau war. Einmal hatte sie geträumt, mit Lancelot unter den Ringsteinen zu liegen, und er nahm sich, was sie ihm nie gegeben hatte…
Lancelot… Er war so gut! Er forderte nie mehr von ihr, als eine christliche und verheiratete Frau ihm geben konnte, ohne sich zu entehren… Und doch standen in der Heiligen Schrift Worte, die Christus selbst gesprochen hatte…
Wer die Frau eines anderen voll Begierde ansieht, hat in seinem Herzen bereits Ehebruch begangen…
Also hatte sie mit Lancelot gesündigt. Es gab keine Sühne, und sie waren beide verdammt. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie wendete den Blick vom Berg, denn sie glaubte, Artus könne ihre Gedanken lesen. Er hatte Lancelots Namen ausgesprochen…
»Findest du nicht auch, Gwen? Es ist höchste Zeit, daß Lancelot heiratet.«
Sie zwang sich, ruhig zu antworten: »An dem Tag, an dem er Euch um eine Gemahlin bittet, mein Gebieter, solltet Ihr ihm eine geben.«
»Aber er tut es nicht. Er will mich nicht verlassen. Pellinores Tochter wäre eine gute Frau für ihn. Sie ist Eure Base… Glaubt Ihr nicht auch, sie wäre die Richtige für ihn? Lancelot ist nicht reich. Ban hat zu viele Söhne und kann keinem viel geben. Es wäre für beide eine gute Wahl.«
»Ja, Ihr habt zweifellos recht«, sagte Gwenhwyfar. »Elaine hängt wie die jungen Burschen an seinen Lippen, um ein freundliches Wort oder auch nur einen Blick von ihm zu erhäschen.« Vielleicht war es wirklich das beste, wenn Lancelot heiratete – obwohl ihr bei dem Gedanken beinahe das Herz brach: Er war zu gut, um an eine Frau gebunden
Weitere Kostenlose Bücher