Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
gesehen, das dort aufwächst. Ich mußte ihr versprechen, nie darüber zu reden…«
»Aufgewachsen am Hof von Lothian…«, sagte Artus und griff sich plötzlich an die Brust, als spüre er dort einen entsetzlichen Schmerz.
»O gnädiger Gott!« flüsterte er, »und ich wußte es nicht…« Grauen überfiel Gwenhwyfar, und sie sagte: »Nein, o nein, Artus. Morgaine lügt. Bestimmt war das nur reine Gehässigkeit, denn sie hat auch Lancelot aus Eifersucht in Elaines Arme getrieben… Sie hat bestimmt gelogen, um mich und dich zu quälen…«
Artus erklärte wie abwesend: »Morgaine ist eine Priesterin von Avalon. Sie lügt nicht. Gwenhwyfar, ich glaube, wir müssen sie danach befragen. Laß meine Schwester rufen…«
»Nein, o nein«, bettelte Gwenhwyfar. »Ich bedaure meine Worte. Ich war von Sinnen und außer mir, du hast es selbst gesagt. Oh, mein lieber Gemahl, mein König und mein Gebieter, ich bedaure jedes Wort, das ich gesagt habe. Bitte verzeiht mir… ich flehe Euch an…«
Artus legte die Arme um sie: »Auch du mußt mir vergeben, meine liebe Gemahlin. Ich sehe, ich habe dir großes Unrecht getan. Aber wer den Sturm entfesselt, muß sich seiner Gewalt beugen…« Er küßte sie sanft auf die Stirn. »Rufe Morgaine.«
»Oh, mein Gebieter, oh, Artus, ich bitte dich… ich habe versprochen, niemals davon zu reden…«
»Nun, dann hast du dein Versprechen heute gebrochen«, erwiderte Artus ruhig. »Ich habe dich nicht gebeten zu sprechen, du wolltest es so. Was gesagt ist, kann nicht mehr zurückgenommen werden.«
Der König ging zur Tür und rief seinen Kammerherrn. »Gehe zu Lady Morgaine und bitte die Herrin, so schnell wie möglich zu mir und meiner Königin zu kommen.«
Der Mann entfernte sich – Artus rief Gwenhwyfars Kammerfrau. Starr wie ein Stein ließ Gwenhwyfar sich ihr Festgewand überstreifen und die Haare flechten. Sie nippte an einem Becher Wein, der mit heißem Wasser gemischt war, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie hatte das Unverzeihliche getan; sie hatte gesprochen.
Wenn ich heute morgen wirklich sein Kind empfangen habe. ..
ein seltsamer Schmerz durchzuckte ihren Leib…
Kann in solcher Bitterkeit etwas Wurzeln schlagen und wachsen?
Es dauerte nicht lange, und Morgaine betrat in einem dunkelroten Gewand das Gemach. In ihre Haare waren rote Seidenbänder geflochten. Sie hatte sich für das Pfingstfest hübsch gemacht und wirkte strahlend und lebendig.
Und ich bin ein vertrockneter Baum,
dachte Gwenhwyfar.
Elaine gebahr Lancelots Sohn. Selbst Morgaine, die unvermählt ist und sich keinen Freier wünscht, hat die Hure gespielt und irgendeinem Mann einen Sohn geboren. Artus hat mit einer Unbekannten einen Sohn gezeugt. Aber ich… ich habe kein Kind.
Morgaine trat zu ihr und küßte die Königin. Gwenhwyfar lag wie leblos in ihren Armen. Dann wendete sich Morgaine an Artus und fragte: »Du hast mich rufen lassen, Bruder?«
Artus antwortete: »Ich bedaure, dich so früh gestört zu haben, Schwester. Gwenhwyfar, du mußt jetzt in meiner und Morgaines Gegenwart wiederholen, was du gesagt hast. Ich dulde keine Verleumdungen an meinem Hof.«
Morgaine sah Gwenhwyfar prüfend an und bemerkte die Spuren der Tränen um die geröteten Augen. »Lieber Bruder«, sagte sie, »deine Königin leidet. Ist sie wieder schwanger? Was immer sie gesagt haben mag, es gibt ein altes Sprichwort: Harte Worte brechen keine Knochen.«
Artus warf Gwenhwyfar einen kalten Blick zu, und Morgaine fuhr zusammen. Dies war nicht der Bruder, den sie so gut kannte, sondern der gestrenge Großkönig, wie er sonst auf dem Thron saß und Recht sprach.
»Gwenhwyfar«, sage er, »ich befehle dir nicht nur als dein Gemahl, sondern auch als dein König, in Morgaines Anwesenheit zu wiederholen, was du hinter ihrem Rücken gesagt hast… Hat sie dir berichtet, daß ich einen Sohn habe, der am Hof von Lothian aufwächst…?«
Es ist wahr,
durchzuckte es Gwenhwyfar, als sie Morgaine bittend ansah,
nur einmal, an dem Tag, als Viviane vor ihren Augen erschlagen wurde, hat sie nicht das ruhige und gefaßte Gesicht einer Priesterin zur Schau getragen
… Es
ist wahr, aber irgendwie wühlt es sie innerlich auf… warum nur?
»Morgaine«, Artus wendete sich zur Schwester: »Sage mir. Ist es wahr? Habe ich einen Sohn?«
Und was bedeutet es Morgaine?
dachte Gwenhwyfar.
Warum möchte sie es selbst vor ihrem Bruder verheimlichen? Es wäre wohl begreiflich, wenn sie ihr eigenes Lotterleben verheimlichen möchte. Aber
warum
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