Avalons Geisterschiff
»Zumindest machen Sie auf mich den Eindruck.«
»Da haben Sie wohl Recht. Momentan kann ich nur nachdenken.«
»Darf ich fragen, worüber?«
»Klar. Ich denke darüber nach, dass wir bei Tageslicht wohl keine Chance haben.«
»In der Dunkelheit mehr?«
»Bestimmt.«
Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte, und entschied sich dann, noch einen weiteren Blick über Bord zu werfen, um zu versuchen, das Geisterschiff trotzdem zu sehen.
Ich ließ ihn schauen, und als er sich wieder aufrichtete, schüttelte er den Kopf.
»Sie können sagen, was Sie wollen, John. Es bleibt bei mir beim Glauben. Ich weiß nichts. Ich sehe auch nichts. Für mich sieht es hier aus wie immer.«
»Ja, das denke ich mir.« Ich hätte ihm das Kreuz geben können. Aber das wollte ich nicht. Es hätte bei ihm möglicherweise zu noch mehr Fragen geführt.
Er schien zu merken, dass ich zu einem vorläufigen Ende gekommen war, und fragte: »Fahren wir weiter?«
»Ja, aber zurück.«
»Wirklich?« Er schien enttäuscht zu sein.
»Ich denke, dass wir hier nichts mehr zu suchen haben. Ich konnte finden, was ich wollte.«
Er schaute mich mit einem Blick an, der Skepsis verriet, aber das störte mich nicht. Ich musste meinen Part durchziehen und wollte auch mit Maxine und Carlotta darüber sprechen.
»Wo wollen Sie denn hin, John?«
»Zu Maxine Wells.«
»Das habe ich mir gedacht. Meinen Sie denn, dass sie Ihnen glauben wird?«
»Das stellt sich heraus, wenn ich mit ihr gesprochen habe. Aber über eines sollten Sie sich im Klaren sein, Earl. Sie können denken und glauben, was Sie wollen. Gewisse Tatsachen aber lassen sich nicht aus der Welt schaffen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Denken Sie an den toten Clint McLintick.«
Er hatte zugehört. Er schaute mich an, und ich sah, wie er nickte. »Verdammt, das macht die Sache nicht einfacher.«
»Genau, Earl!«
***
Carlotta kannte sich. Sie kannte auch Maxine Wells, und sie wusste, dass sich die Tierärztin Sorgen machte. Es war wirklich nicht gut, wenn man ihre Fähigkeiten entdeckte. Das würde einen wahnsinnigen Aufruhr geben. Man würde Jagd auf sie machen, denn wo auf der Welt gab es schon einen Menschen, der flog wie ein Vogel?
Ein Traum war bei Carlotta in Erfüllung gegangen, der allerdings manchmal zu einem Albtraum werden konnte, und genau zwischen diesen beiden Extremen schwebte sie.
Sie hatte das Blockhaus verlassen und war ein paar Schritte gegangen. Nicht zum Loch hin, wie es normal gewesen wäre. Sie hatte sich die Rückseite des Hauses ausgesucht und war von dort aus an einen ruhigen Ort gelaufen, um in Ruhe nachdenken zu können.
Zehn Häuser hatte man hier errichtet und ein entsprechendes Gelände dafür gerodet. Die Bauten sahen alle gleich aus. Wie die Buden auf vielen Weihnachtsmärkten. Allerdings standen sie nicht dicht beieinander. Zwischen ihnen gab es Wege, und es waren auch Bäume gepflanzt worden. Schlanke Birken, die schnell wuchsen.
Am Ende des kleinen Areals war ein bestimmtes Gebiet eingezäunt worden. Dort standen die großen Abfallcontainer, die in der Hochsaison einmal in der Woche geleert wurden. Ein Weg führte von diesem Ort aus bis zur normalen Straße hin.
Diesen Weg ging Carlotta. Sie hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass sie Maxine allein in der Blockhütte zurückgelassen hatte. Zwar drohten keine unmittelbaren Gefahren, aber Carlotta wollte sie auch nicht ausschließen, und deshalb hielt sie die Augen offen.
Es war schon seltsam, dass sie sich momentan auf dem Boden sicherer fühlte als in der Luft, aber das konnte sich leicht ändern. Sie dachte an die Begegnung auf dem Geisterschiff, und sie wunderte sich auch darüber, dass John Sinclair noch nicht wieder zurückgekehrt war. Hatte er vielleicht etwas entdeckt?
Zuzutrauen war es ihm. John war jemand, der konsequent vorging und auch oft das Glück hatte, auf eine Lösung zu stoßen.
Die kleinen, jedoch zahlreichen Blätter der Birken gaben ihr den nötigen Sichtschutz. Carlotta begann, ihre Flügel zu bewegen.
Langsam schwebte sie hoch. Als sie den Beginn der Baumkronen erreicht hatte, blieb sie in der Luft stehen. Sie kippte ihren Körper ein wenig nach vorn, denn nur in dieser Lage verschaffte sie sich einen guten Überblick.
Was sie sah, waren die Dächer der Häuser. Auch sie sahen alle gleich aus. Leicht angeschrägt und mit dunklen Schindeln bedeckt, die durch Stroh und Lehm miteinander verbunden waren. Man wollte eben sehr rustikal nach außen hin
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