Avalons Geisterschiff
lief sie bereits über den Boden. Fast ohne zu stoppen öffnete sie die Eingangstür und stolpere förmlich in das Blockhaus hinein.
Sie fand Maxine Wells vor ihrem Laptop sitzen. Die Tierärztin war so stark in die Arbeit vertieft, dass sie nicht sofort merkte, was passiert war.
Sie fuhr erst auf ihrem Stuhl herum, nachdem Carlotta ihren Namen gerufen hatte. Da wurde die Tür soeben wieder geschlossen, und das Vogelmädchen stieß einen heftigen Atemzug aus.
Maxine stand auf. »Was ist denn passiert?«
»Jemand wollte in das Haus!«
»Wie? Hier?«
»Ja, an der Hintertür.«
»Und wer war es?
»Ich kenne ihn nicht.« Carlotta sprach sehr schnell. »Aber er war mit einem Säbel bewaffnet.«
Der Tierärztin verschlug es die Sprache. Im Moment war sie unsicher. Sie wusste auch nicht genau, wohin sie schauen sollte und so irrte ihr Blick durch den Raum.
»Mit einem Säbel?«
»Ja, wenn ich es dir sage. Und er sah aus, als wäre er in der Wirklichkeit schon längst tot. So bleich und mit einem starren Blick versehen. Das war schlimm.«
»Einer, der tot ist und trotzdem lebt«, flüsterte die Frau vor sich hin. »Das ist...«
»Ich lüge nicht, ehrlich nicht.«
»Ja, ja, ich glaube dir. Das ist schon alles okay. Meinst du, dass er zu uns kommen will?«
»Genau das denke ich.«
Maxine Wells ärgerte sich über sich selbst, dass sie noch völlig durcheinander war und keinen klaren Gedanken fassen konnte. Aber es gab auch keinen Grund, dem Vogelmädchen zu misstrauen, und so fragte sie, was sie tun sollten.
»Zumindest abschließen.«
»Und wo ist der Schlüssel?«
»Den hast du.«
Maxine schlug sich gegen die Stirn. »Stimmt. Entschuldige, aber ich bin durcheinander.«
»An der Hintertür auch.«
Maxine nickte. Sie war bereits unterwegs zu ihrer Beuteltasche, die sie in einem schmalen Wandschrank verstaut hatte, wo auch die Reisetaschen standen und die Kleidung hing. Dort musste sie in den Fächern wühlen, aber sie hatte Glück. Die beiden Schlüssel, die an einem Ring hingen, glitten ihr sofort in die Hand.
»Wo zuerst? Was meinst du?«
»Vorne, glaube ich.«
»Okay.«
Maxine hatte sich wieder gefangen. Mit den Schlüsseln in der Hand lief sie auf Carlotta zu, passierte sie und nahm den schnellsten Weg zur Tür.
Manchmal spielen im Leben die Sekunden wirklich eine große Rolle. So war es auch hier. Zwei, drei Sekunden früher, und sie hätte es geschafft. So aber kam sie leider zu spät.
Es gelang ihr noch, mit dem Schlüssel das Loch zu berühren, da passierte es.
Jemand rammte die Tür von außen nach innen auf. Maxine, die ein wenig geduckt vor ihr stand, konnte nicht mehr ausweichen. Das schwere Holz schlug gegen ihren Kopf. Sie bekam den Stoß voll mit, hörte es knallen, und dann tanzten tatsächlich die berühmten Sterne vor ihren Augen.
Dass sie zurücktaumelte, merkte sie nur am Rande. Sie wurde nicht bewusstlos, aber sie hatte das Gleichgewicht verloren, ihre Beine fühlten sich an, als wären sie mit Blei gefüllt.
Sie landete hart auf dem Boden, und diesen Aufprall spürte sie wieder im Kopf. Erneut zuckten die Sterne auf.
Trotzdem dachte sie noch klar, und ein Gedanke beherrschte sie besonders. Der Schlag gegen den Kopf hatte sie außer Gefecht gesetzt. Sie konnte Carlotta nicht helfen...
Das Vogelmädchen hatte alles mit angesehen. Nur hatte Carlotta keine Röntgenaugen, und so sah sie nicht, was sich hinter der Tür abspielte.
Sie sah, wie sich die Tierärztin nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Sie taumelte zurück, dann fiel sie zu Boden und blieb dort sitzen.
Jetzt erst sah sie den Eindringling. Es war die Gestalt mit dem Säbel. Sie hatte sich breitbeinig vor der Türschwelle aufgebaut und hielt den Griff der Waffe jetzt mit beiden Händen fest. Es war kein böser oder mordlüsterner Blick in seinen Augen, aber sein Anblick war schon Bedrohung genug.
Der Bewaffnete hatte alles im Blick. Nichts konnte ihn jetzt noch an seiner Aufgabe hindern. Er bewegte sich nach vorn und suchte sich ein Ziel aus. Jeder seiner Schritte klang wie ein leichter Hammerschlag. Oder wie der Schlag einer Uhr, der den Zuhörern anzeigte, dass ihre Zeit abgelaufen war.
Carlotta wollte nicht, dass sich die Gestalt um Maxine kümmerte. Sie war angeschlagen und würde einem Hieb mit dem verdammten Säbel nicht ausweichen können.
Angriff ist oft die beste Verteidigung. In diesem Fall war es kein Angriff, sondern ein Ablenkungsmanöver. Carlotta rief dem Eindringling mit schriller Stimme
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