Avanias der Große
überraschenden Besuchs seines Sohnes? Irgendetwas Schlimmes müsste sich ereignet haben. Der König entschuldigte sich bei seiner Königin und ging aus dem Schlafgemach heraus und wartete im Korridor auf den Prinzen. „Na los, führe ihn hierher!“
Es war eigentlich nicht Sassanias' Art, aber dieses Mal schlug er dem Lakai wie ein in Rage geratener Mann auf die Schulter. Als der König nervös dort wartete, schossen ihm tausende Gedanken durch den Kopf. War etwa der alte Malgarias krank geworden oder gar – Götter bewahrt – gestorben?
Da war er nun. Sein Sohn. Sein Sohn.
Sein geliebter Sohn stand hier in seinem Haus als erwachsener Mann vor ihm. Wie sehnsüchtig hatte er sich doch Tag und Nacht diesen Moment herbeigesehnt. Aber jetzt wurde es ihm unbehaglich. Er löste seinen Sohn von seinen Armen. „Avanias, mein Sohn, was ist geschehen? Wie geht es Malgarias? Ist er krank?“
Avanias schüttelte den Kopf: „Nein, es geht ihm gut. Ich habe ihn darum gebeten, zurückzubleiben und erst später nachzukommen.“
„ Aber mein Sohn, es ist zu gefährlich für dich, hierher zu kommen. Wie oft habe ich dir das gesagt!“
Avanias traute sich nicht mehr, seinem Vater in die Augen zu schauen. Konnte dieser alte Mann denn überhaupt seine Gefühle verstehen?
„Jetzt bist du hier. Wir müssen deinen Aufenthalt geheim halten. Komm, deine Mutter erwartet dich. Sie liegt im Bett. Sie will dich sehen.“
Er führte seinen Sohn zur Tür und bemerkte die ganze Zeit über nicht den Gast neben Avanias, welcher sich die ganze Zeit über zurückhielt und sich nicht traute, ein einziges Wort zu sagen. Lumkin wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Sollte er den Monarchen hinein folgen? Hatte er doch als Normalsterblicher und nun zudem noch als Verbrecher doch nichts mehr zu befürchten. Wenn er zu Tode verurteilt werden würde, würde er dann eben sterben müssen.
Also ging er lächelnd ins Schlafgemach der Königin und des Königs hinein.
Für Lalindria war es ein Wunder. Ja, es war ein Wunder. „Die Götter haben meine Gebete erhört.“
Avanias kniete sich vor ihr hin. Die Königin weinte. Auch der eher eiserne Lumkin konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Jetzt sah ihn auch der König. „Ist das dein Lakai?“
Lumkin fuchtelte nervös an seinem Gewand herum. Seine Augen konnten nicht nach oben zum König aufschauen. Avanias wandte sich dem König zu. „Nein, er ist ein Freund. Er hat mir bei der Flucht vor einer tobenden Horde von alten Männern geholfen.“
Auch Lalindria war nun schockiert und hörte auf, zu weinen.
„ Tobende Horde? Sie waren hinter dir her?“
„ Ich weiß auch nicht, wie mir geschah. Ich konnte mich nicht im Zaum halten. Ich bitte Euch um Vergebung, Vater!“
„ Was hast du getan?“
„ Ich habe in einer Kneipe unten im Dorf einen Palparen erschlagen.“
„ Allmächtige Götter!“
Lalindria schloss ihre Augen, sie atmete schwer. Avanias trat zurück. Sassanias beugte sich vor zu seiner Ehefrau. Er rief seinen Lakai. Lumkin fühlte sich so verloren in diesem Augenblick. Was hatte er als Gemeiner hier zu suchen? Die Lage war jetzt schon schlimm genug. Er riss sich zusammen und suchte die Worte: „Bitte vergebt auch mir, mein König! Auch ich habe ein Verbrechen begangen!“
Avanias starrte sofort Lumkin an. Tausend Fragen gingen ihm jetzt durch den Kopf. Wer war dieser Junge überhaupt? Ein Verbrecher, der ihm helfen wollte?
„ Was?“
„ Ich habe meinen Chef verletzt. Ich habe dir doch davon erzählt.“
Sassanias beruhigte sich. „Niemand darf erfahren, dass du es gewesen bist. Du wirst hier bleiben und vorerst den Palast nicht verlassen.“
Die Tür ging auf und eine junge Frau kam herein. Sassanias freute sich. „Nandia.“
Sie gefiel Lumkin, er lächelte die ganze Zeit über und konnte seine Augen von ihr nicht abwenden. Gewiss, ihr langes schwarzes Haar brachte jeden Mann in Versuchung. Nandia kam langsam auf Avanias zu. Sie umarmte ihn.
Da war noch eine andere entzückende Gestalt in der Tür. Dieses Mädchen mit ihrer Stupsnase war so lieblich, dass niemand ihr einen Gefallen abschlagen konnte. Sie blieb wie eine Statue stehen und starrte den Neuankömmling verächtlich an. Lumkin vermied den Blickkontakt zu Magria. Avanias schaute sie verständnislos an. Sassanias marschierte auf sie zu. „Magria.“
Der Prinz lächelte. „Magria.“
Magria rannte weg. Der König blieb stehen. Sassanias und seine Tochter Nandia schauten sich gegenseitig sprachlos
Weitere Kostenlose Bücher