AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
schrill, »ich hab doch gar nischt gesagt!«
»Halt’s Maul und Abmarsch nach Hause!«
Auch in den Fenstern des Patriarchenpalastes war der fahle Widerschein erloschen, und mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung schloss Donovan die Fensterläden. Er dankte den Göttern, dass der Himmel bedeckt war, so würde es nicht mehr lange dauern, bis es vollkommen dunkel geworden war und das Warten ein Ende hatte.
Hastig wandte er sich den grauen Gewändern auf seinem Bett zu. Erst nach langem Suchen hatte er sie auf dem Grund einer seiner vielen Kleidertruhen gefunden: Kittel und Hosen aus dem Haus der Weisen. Viele schmerzliche Erinnerungen waren mit ihnen verbunden, aber er hatte sie behalten, zum Andenken an diese drei Jahre, die er gemeinsam mit Ava verbracht hatte. Jetzt war er froh darüber, es waren die einzigen einfachen Stücke in seiner reichen und farbenprächtigen Garderobe. Er entkleidete sich, was ihm ohne Bonventuras Hilfe nicht ganz leicht fiel, und schlüpfte in die schlichte Tracht der Grauen Brüder, die zum Glück keine hohen Ansprüche an seine Geschicklichkeit stellte.
Als er fertig war, nahm er den Mondenschleier aus seinem Kasten und schlug das schimmernde Gewebe sorgfältig in einen dichtgewebten, schwarzen Wollstoff. Bevor er die letzte Lage darüberfaltete, zog er ein Blatt unter seinem Kissen hervor und betrachtete es gerührt. Die Worte darauf kamen aus der Tiefe seines liebenden Herzens.
An die Geliebte
Wie Mond und Sterne sich verdunkeln,
Wenn eine Wolke dicht und schwarz darüber flieht.
Wie starr wird Wassers hell lebend’ges Funkeln,
Wenn Winters kalter Hauch es überzieht.
Wie zarter bunter Flor ermattet sinkt,
Wenn Sommers Glut ihn grausam niederstreckt.
Wie kleiner Vögel Stimme scheu verklingt,
Wenn eines Habichts Schatten sie erschreckt
Verdunkelt, starr und matt –
So leb auch ich dahin
Und meine Stimme ist von Tränen satt
Weil fern von dir, geliebtes Mädchen, ich noch bin
Doch Licht und Leben winken wieder mir,
Gesang und Schönheit kehr’n zurück - mit dir!
Wenn sie die Umhüllung öffnete, sollte ihr Blick als erstes auf diese Zeilen fallen! Er führte das Blatt an die Lippen und schob es zwischen die Falten des schwarzen Stoffes. Dann warf er sich den grauen Umhang über die Schultern, barg das kostbare Bündel in der Armbeuge und stellte sich an eines der hohen Fenster, wo er ungeduldig wartete, bis es vollkommen dunkel geworden war.
»Bei der Dunklen Göttin, ich verstehe nicht, wie die Männer mit diesen Dingern zurechtkommen«, schimpfte Margeau, die sich in unbequemer Haltung mühte, die Knebel des Beinlings in die Schlaufen des Hosenbruchs zu nesteln. Neben ihr kniete Blandine und befestigte den zweiten Beinling, während die Fürstin zwischen Schlafgemach und Ankleidezimmer hin- und hertrippelte, fahrig bald das eine Kleidungsstück, bald ein anderes hochhob und alles in allem zu nichts nütze war.
»Dabei zeigen sie Eure Beine auf’s vorteilhafteste«, schmeichelte Blandine und setzte kichernd hinzu: »So erfährt man doch wenigstens, was die Herren unter ihrem Hemd tragen.«
Aber Margeau war nicht zu Scherzen aufgelegt.
»Erzähl mir nicht, dass du das noch nicht weißt«, sagte sie unfreundlich, »beeil dich, ewig können wir ihn nicht warten lassen.«
Sie warf einen ungeduldigen Blick auf Isabeau, die das Hemd von ihrem Bett aufgenommen hatte, aber nur zerstreut mit den Bändern spielte und keine Anstalten machte, es weiterzureichen.
Margeau unterdrückte einen gereizten Ausruf. Hemd und Wams musste sie noch anlegen und obwohl sie oft genug zugesehen hatte, wie ihre Liebhaber sich ankleideten, war es ihr nie in den Sinn gekommen, auf die Einzelheiten zu achten. Der Gedanke an die ungewohnte Tracht verursachte ihr Sorgen.
Die freche Dirne, die sie bestraften wollte, war es gewohnt sich wie ein Mann zu kleiden. Donovan hatte gesehen, wie sie sich dabei anmutig und sicher bewegte. Wenn die verkleidete Margeau dagegen ungeschickt und tölpelhaft wirkte, schöpfte er womöglich Verdacht. Donovan mochte ein Narr sein, aber er war ein großer, kräftiger Narr und wenn er merkte, welch übles Spiel sie mit ihm trieb, konnte es sein, dass ihr Leben in Gefahr geriet. Unwillkürlich griff Margeau sich an den Hals, der zart und dünn war wie der eines Kindes. Nein, die Täuschung musste vollkommen sein, sie durfte einfach nicht daran zweifeln, dass sie ihn davon überzeugen konnte, seine kostbare Bergprinzessin vor
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