AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
sich zu haben.
»Lass jetzt das Gefummel«, fuhr sie Blandine an, aber als sie die beleidigte Schnute des Mädchens sah, riss sie sich zusammen. Sachte, sachte, sie brauchte die Kleine noch einmal und es wäre gefährlich, sie gegen sich aufzubringen. Dafür wusste sie zuviel von dieser Geschichte.
Blandine war kaum vierzehn Jahre alt, eine Kleinmagd, die das gebrauchte Wasser aus den Waschschüsseln der Palastbewohner in Eimern wegtrug. Margeau war auf sie aufmerksam geworden, als sie ein seidenes Band eingesteckt hatte, das achtlos auf den Boden gefallen war. Zur Rede gestellt war das Mädchen nicht etwa rot geworden und hatte herumgestottert, sondern dreist behauptet, sie habe es nur genommen, um es an seinen Platz zurückzulegen. Margeau hatte diese Frechheit gefallen, zudem war die Kleine gut entwickelt und hübsch anzusehen. Sie hatte ihr das Band gelassen und das Mädchen in ihre Dienste genommen.
Furchtlos hatte Blandine die gefährliche Arbeit unternommen, Donovan die gefälschten Briefe unterzuschieben. Der junge Mann wusch sich häufig und die Magd, die für sein schmutziges Wasser zuständig war, hatte sich gern von Blandine helfen lassen. Margeau hatte dem Mädchen kleine Geschenke gemacht und ihr eine besondere Überraschung versprochen, wenn das Unternehmen zu einem guten Ende gebracht worden war.
Blandine, die den Umgang mit den beiden hochstehenden Damen genoss, glaubte ihr und tat alles, was von ihr verlangt wurde. Aber sie war nicht dumm und trotz ihrer Jugend nicht weniger verderbt als ihre Herrin - ab und zu hatte Margeau den Hauch einer Drohung in ihren Worten vernommen.
Seit sie erfahren hatte, dass das Mädchen einen Galan aus den dunklen Vierteln hatte, war sie fest entschlossen gewesen, die Kleine verschwinden zu lassen, sobald sie ihrer nicht mehr bedurfte. Aber noch war es nicht so weit.
»Schmoll nicht, Herzchen«, lächelte sie nun und tätschelte Blandines rundliche Wange. »Hilf mir schnell in das Hemd und dieses elende Wams.«
Blandine knickste lächelnd, und mit vereinten Kräften gelang es, Margeau in einen zierlichen jungen Herrn zu verwandeln. Zuletzt stülpte sie den Goller über und als sie die Kapuze aufsetzte, war von ihren blonden Flechten nichts mehr zu sehen. Die vordersten Löckchen hatte sie mit Walnuss-Saft braun gefärbt und in die Stirn gezupft, so dass es aussah, als habe sie dunkles Haar unter der Haube. Diese verräterischen Löckchen würde sie abrasieren, bei der gängigen Mode würde es nicht auffallen.
Margeau drehte sich vor dem großen Spiegel und rümpfte die Nase. Sie fühlte sich seltsam nackt und schutzlos ohne ihre weiten Röcke, die hoch reichenden Beinlinge scheuerten an den peinlichsten Stellen und das stützende Mieder fehlte ihr. Auch war es nicht einfach, weit und kräftig auszuschreiten, wie es die festen Stiefel verlangten. Margeau musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um nicht in die zierlichen Schrittchen zu verfallen, mit denen sie sich in den engen, hochhackigen Seidenschuhen bewegte. Schließlich hatte sie den Raum ein paar Mal zu ihrer Zufriedenheit durchquert, wobei ihr Isabeau, bebend vor Aufregung, gefolgt war.
»Glaubst du, es wird gelingen?«, fragte sie heiser und presste die Hände zusammen. »Wird er ihn wirklich bei sich haben? Oh, ich kann es kaum erwarten, ihn in meinen Händen zu halten, Margeau, dann wird nichts mehr meine Stellung erschüttern können.«
»Natürlich wird er ihn dabeihaben, Isa«, erwiderte Margeau und warf ihrer Kusine einen warnenden Blick zu. Blandine war zwar in den köstlichen Spaß eingeweiht, den sich die beiden hohen Damen mit dem Thronfolger erlaubten, aber sie ahnte nichts von dem Schleier, der in dieser Nacht den Besitzer wechseln würde. Margeau trat zum Fenster und zog die dichten Vorhänge ein wenig zur Seite. Die Nacht war vollständig niedergesunken und mit einem tiefen Atemzug trat sie ins Zimmer zurück.
»Lasst uns das Spiel beginnen. Isabeau, gib mir den Zettel mit seinem Liedchen.«
Isabeau trat an ihren Schreibtisch und kramte ein Blatt heraus, das mit Notenlinien und Noten bedeckt war. In einem seiner Briefe hatte Donovan voll Freude geschrieben, dass er für Ava eines seiner Lieder aufschreiben wollte, weil es ihr so gut gefallen hatte. Auch seiner Stiefmama hatte er die Noten zukommen lassen und Isabeau hatte sie mit äußerster Sorgfalt kopiert. Für die kurze Zeit, die die Täuschung bestehen musste, würde das Blatt, das angeblich Ava von Tillholde gehörte, seinen
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