AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
wollte und auch jetzt, hier im Labyrinth, ging es ihm durch den Kopf, ob es nicht klug gewesen wäre, Tartuffes Geist zu durchsuchen. Ungeduldig schüttelte er den lästigen Gedanken ab.
Es konnte ihm gleich sein. Sobald das geheimnisvolle Fräulein seinen anhänglichen Verehrer losgeworden war, würde er ihr folgen und ihr den Schleier abnehmen. Es war beinahe lächerlich einfach, keine Spur von Mord und Totschlag, wie Ninian orakelt hatte. Jermyn runzelte die Stirn. Der Streit mit ihr war das einzige, was seine Hochstimmung trübte.
Seit gestern morgen hatten sie nur das Nötigste miteinander gesprochen, sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie keinen Wert auf seine Gesellschaft legte, und er hatte ihr Bett gemieden. Bis jetzt verstand er nicht, worüber sie sich erregte.
Er war für jeden Tag dankbar, den sie bei ihm war, und feiern könnte er es jederzeit, wann immer sie wollte, aber er hatte tatsächlich vergessen, dass sie heute vor genau einem Jahr seine Geliebte geworden war. Warum das so außerordentlich wichtig war, begriff er nicht. Dabei war er so froh über seine überzeugende Ausrede gewesen. Es hatte keine Gefahr bestanden, dass Ninian ihn zu den Meisterspielen in den Höfen begleiten würde, sie verabscheute das Himmelsspiel.
Jermyn schlug nach einem Nachtfalter, der gegen seine Stirn geflattert war, als die weibliche Stimme plötzlich laut wurde.
»... hänge nicht mehr an ihm ... habe ihn satt ... hat mich gekränkt und beleidigt ... ihm niemals verzeihen ...«
Ah, es gab also einen Nebenbuhler, einen ältlichen Ehemann oder einfallslosen Liebhaber, der ihre Gunst verloren hatte. Wahrscheinlich konnten nicht viele Frauen widerstehen, wenn der Thronfolger sie belagerte, selbst wenn er ein saft- und kraftloser Schwätzer war.
Jermyn lächelte selbstgefällig, er zweifelte nicht daran, dass es ihm gelingen würde, Ninian zu versöhnen. Wenn sie erst sah, weshalb er sie getäuscht hatte und was er ihr als Geschenk brachte, konnte sie nicht länger sauer sein.
Er hatte sofort beschlossen, den Mondenschleier zu stehlen, als Kaye von ihm erzählt hatte. Ohne Blutvergießen, nur mit ein wenig Fingerfertigkeit und Gedankenarbeit. Dagegen würde sie nichts einwenden können und wenn sie den Schleier annahm - welche Frau, der ihr Geliebter eine solche Gabe brachte, würde sich jemals von ihm abwenden?
Erhobene Stimmen holten ihn in die Wirklichkeit zurück. Im Pavillon ging es jetzt lebhafter zu. Um ein Haar hätte er laut herausgelacht - Donovan war tatsächlich vor seiner Angebeteten auf die Knie gefallen und hielt ihren Umhang umklammert, während sie versuchte, sich loszureißen, man konnte es ihr nicht verdenken. Was machte der Tölpel jetzt? Er hob etwas auf und hielt es ihr mit beschwörender Geste hin. Der Mondenschleier? Hatte sie ihm das Ding vor die Füße geworfen? Eine leicht erregbare Dame, wie es schien, aber er wünschte doch, sie kämen langsam zum Ende dort drüben, damit er wusste, wem er das Bündel abnehmen musste ...
»... bitte dich, ich flehe dich an, Ava, liebste Ava ...«
Jermyn riss es herum.
Klagend, aber klar und deutlich hatte Donovans Stimme durch die stille Nachtluft geklungen, ihm blieb nicht einmal der gnädige Zweifel, ob er den Namen falsch verstanden hatte. Ava? Ein Zufall ... aber gab es solche Zufälle? Die Gedanken rasten in einem tollen Wirbel durch seinen Kopf. Ein zierliches Mädchen in Männerkleidung, ein Mädchen, in das Donovan so vernarrt war, dass er ihm den Mondenschleier schenkte. Ninian, die Donovan heimlich zunickte, ein Nebenbuhler, den sie hasste, der sie gekränkt hatte, den sie satt hatte ...
Ava, liebste Ava ... Die Worte gellten in seinen Ohren, ihm wurde übel.
Ninian? Konnte das Mädchen dort drüben Ninian sein?
Jermyn presste sich gegen die Hecke und starrte gierig zu den beiden schemenhaften Gestalten. Er merkte nicht, dass die Zweige sein Gesicht zerkratzten. In seiner Brust wühlte ein Schmerz, als habe eine grausame Hand sein Herz ergriffen, drehe und zerre es langsam hin und her, bis sie es von seinem Platz gerissen hatte.
Er hatte geglaubt, wütenden Hass zu empfinden, wenn er erfuhr, dass Ninian sich einem anderen Mann zugewandt hatte, aber er hatte sich geirrt. Er spürte nur Schmerz, die grausame Pein, die ihn drei lange Jahre im Haus der Weisen gequält hatte, ins Unerträgliche gesteigert, weil er wusste, was er verlieren würde.
Hinter seinen Schläfen pochte es, schnell verwandelte sich der Schmerz in
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