AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
lodernde Wut, doch bevor er ihr nachgab, und über die beiden dort drüben herfiel, fuhr ihm ein letzter klarer Gedanke durch den Schädel: Das war nicht Ninians Art, nicht auf diese Weise würde sie von ihm gehen!
Der Zweifel wuchs. Nach einem Jahr kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich nicht so verstellen konnte. Ihr Zorn und ihre Enttäuschung, dass er nicht ihr zuliebe auf das Himmelsspiel verzichtete, waren echt gewesen. Wenn sie ihn wirklich verlassen wollte, würde sie es ihm ins Gesicht schreien, kein heimliches Spiel von Verrat und Niedertracht beginnen.
Der Abgrund, der sich vor ihm aufgetan hatte, schloss sich wieder, seine Kaltblütigkeit kehrte zurück. Er wollte verstehen, was sich da vor seinen Augen abspielte, zuschlagen konnte er immer noch. Er trat einen Schritt zurück, sein Zopf hatte sich im Geäst verfangen und er riss sich ungeduldig los. Ohne auf das Ziepen in der Schläfe zu achten, schirmte er seine Sinne gegen die äußere Welt ab und senkte die Sperren, die ihn sonst vor ihren Eindrücken schützten.
Sogleich umgab ihn das unaufhörliche, durch den Schlaf gedämpfte Gewisper unzähliger menschlicher Geistsphären. Noch war die Nacht nicht weit fortgeschritten und in Myriaden schwach leuchtender Bilder brandeten die Gefühle, Wünsche und Ängste der Menschen gegen seinen Geist an. Aber ihn interessierte nur das Paar im Pavillon und er zwang sich, die wispernden, flimmernden Sphären aus seinem Bewusstsein auszuschließen.
Der Mann war ohne Zweifel Donovan. Durch sein Gemüt irrlichterten Verzweiflung und Hoffnung. Er war tatsächlich davon überzeugt, Ninian vor sich zu haben, aber das Bild, das er vor seinem inneren Auge sah und das sich wie ein Schleier über die Frau aus Fleisch und Blut legte, die vor ihm stand, unterschied sich deutlich von der Ninian, die Jermyn kannte: eine seltsame Mischung aus dem freundlichen, unbefangenen Mädchen, das sie in der Schule der Weisen gewesen war, und einem hochmütigen Fräulein in einem aufreizenden weißen Kleid. Immer aber war die Gestalt in das leidenschaftlich glühende Licht von Donovans Liebe getaucht, das sich zum blutigen Rot der Begierde verdunkelte ...
Für einen Moment verschanzte Jermyn sich wieder hinter seinen Sperren. Donovans Verlangen machte ihn rasend, er musste gewaltsam an sich halten, um nicht in den Geist des anderen zu stoßen und die Bilder zu zerstören. Denn da gab es manches, was ihm nicht gefiel. Das aufreizende, weiße Kleid hatte er durchaus erkannt - schließlich hatte er Ninian die zerfetzten Überreste eigenhändig ausgezogen. Sie hatte ihm nicht erzählt, was sie in jener letzte Wilden Nacht getrieben hatte, aber sie hatte Donovan zugenickt, Babitt hatte es gesehen ...
Aber das musste warten. Die eine große Furcht war verschwunden. Wen auch immer Donovan dort drüben anhimmelte, Ninian war es nicht. Jermyn holte tief Luft und öffnete sich wieder.
Nein, dieser kalte, kleinliche Geist hatte nichts mit Ninian gemein. Scharf und flach wie eine Messerklinge war er und genauso grausam. Während sich Donovan zu ihren Füßen wand, machte die junge Frau sich heimlich über seine Qualen lustig. Jermyn spürte ihre Verachtung wie beißende Kälte, ihre höhnischen Gedanken wie Nadelstiche.
»Jetzt gib schon her, du Memme. Welcher richtige Mann würde sich so behandeln lassen? Komm endlich zum Ende ... wenn er meine Hand nicht bald loslässt, schreie ich ... ja, ja, du Schwätzer ... ja, ich denk an dich - totlachen werd ich mich, wenn ich an dich denke! Puh, ich ertrag es kaum ... genug gebalzt für den Fetzen, ja drück noch einmal mein Händchen und dann reichts, sonst muss ich speien.«
Jermyn hatte genug gehört, er zog sich zurück und verschloss sich. Eine pfiffige Schlampe hielt Donovan zum Narren und betrog ihn um den Mondenschleier. Geschah ihm recht, dem leichtgläubigen Trottel! Was fiel ihm ein, immer noch an Ninian zu denken?
Jermyn empfand kein Mitleid für den Geprellten, doch der kaltschnäuzige Hohn der Frau widerte ihn an und es erfüllte ihn mit kalter Wut, dass sie es wagte, Ninian für ihr Gaunerstück zu benutzen. Er hatte nicht übel Lust, beiden eine Lehre zu erteilen, die sie nicht sobald vergessen würden. Aber erst musste er wissen, was hinter der ganzen Sache steckte und auf welche Weise es dem kleinen Luder gelungen war, Donovan zu täuschen. Nicht, dass es schwierig gewesen sein dürfte!
Ah, sie trennten sich - das Mädchen ging eilig davon und Donovan glotzte hinter
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