AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
kleinen Spielchen, aber da hatte er immer durchblicken lassen, dass er etwas vorhatte, mit dem er sie verblüffen wollte. Zuletzt hatte er ihr immer alles erzählt und sei es nur deshalb, weil er ein bewunderndes Publikum liebte.
Doch diesmal war es eine richtige Lüge gewesen und sie war sicher, dass sie niemals etwas davon erfahren hätte, wenn sie nicht Babitt zufällig getroffen hätte. Was trieb er?
Einen Alleingang, einen Bruch, der ihm zu gefährlich schien, als dass er sie mitnehmen wollte? Litt sein Stolz so sehr unter ihrem Wunsch über sein Leben zu wachen, dass er sie nicht mehr dabeihaben wollte?
Der Magen drehte sich ihr um bei dem Gedanken, sie könne ihm lästig sein, aber so schmerzlich er war, schien er immer noch besser als jener, den sie mehr fürchtete als alles anderes. Bysshe, flüsterte es in ihrem Kopf, Bysshe ...
Sie umarmte ihre Knie so fest, dass es schmerzte. Wie sollte sie es ertragen, wenn er sich die ganze Nacht nicht mehr blicken ließ? Und wenn er doch kam und ihr gegenüberstand und wieder log? Wie damals, als sie seinen Betrug mit dem Bademädchen entdeckt hatte, regte sich ihr Stolz. Sie bohrte die Nägel in ihre Handflächen - wenn er es wagte, sie ein zweites Mal zu hintergehen ... Sie ballte die Fäuste so fest, dass sich die kurzen Fingernägel in ihre Handflächen bohrten. Wenn er es wagte ...
Sie fuhr hoch. Über dem Schrillen der Insektenstimmen hörte sie hastige Schritte auf dem Geröll im Innenhof. Da war er.
Einen Augenblick lang war sie versucht, sitzenzubleiben und abzuwarten, ob er nach ihr rief, aber dann hielt sie es nicht mehr aus.
Mit zitternden Gliedern glitt sie das Seil hinab und stolperte über das Geröll in ihr Schlafgemach und voller Bitterkeit dachte sie an die schwindelerregende Seligkeit, die sie vor einem Jahr empfunden hatte.
Jermyn hatte sich offenbar nicht besonders beeilt, denn sie stand schon hochaufgerichtet im Zimmer, als er hereinkam. Ihr Herz hämmerte, aber sie zwang sich, ihm unbewegt entgegenzusehen. Er trug die graue Einbrechermontur, aber seine Miene war finster, nicht triumphierend, wie sie erwartet hatte. Ein wilder, beinahe furchterregender Glanz lag in seinen Augen und er wich ihrem zornigen Blick nicht aus. Ninian hatte vorgehabt, ihn schweigend zu empfangen, kein Wort zu sagen und es ihm zu überlassen, sein Verhalten zu erklären, aber sie brachte es nicht fertig. Kaum stand sie ihm gegenüber, brodelte ihre gekränkte Liebe über.
»Nun, hast du dich gut unterhalten bei deinem Meisterspiel? Oder war es dir zu langweilig und du hast dich nach anderen, aufregenderen Lustbarkeiten umgesehen? Kurzweiliger als bei mir wird es wohl auf jeden Fall gewesen sein, denk ich mir.«
Voller Zorn spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, sie zwang sich zu einem zittrigen Lachen. »Ein Jahr ist ja auch eine lange Zeit, da ist es kein Wunder, wenn sich Überdruss einstellt ...«
Jermyns Gesicht verzerrte sich, als habe sie ihn geschlagen.
»Halt den Mund!«, fuhr er sie an, so grob, dass sie zurückwich. Mit ein paar schnellen Schritten war er bei ihr, packte sie hart an den Schultern und schüttelte sie.
»Sprich nicht so mit mir, Ninian, hörst du? Nicht heute Nacht!«
Rau, beinahe gequält kam es heraus und sie schwieg verwirrt. Er ließ sie los und holte ein schwarzes Bündel aus der Brusttasche seines Kittels.
»Warte«, sagte er scharf, als sie den Mund öffnete.
Er legte das Bündel behutsam auf den Boden zu ihren Füßen. Dann löschte er die Kerzen und als das letzte Glimmern der Dochte erstorben war, hüllte die Schwärze sie ein wie ein dichtes Tuch. Ninians Herz hämmerte, sie versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen, aber sie spürte nur, dass er sich bewegte. Etwas raschelte und sie wollte fragen, was er treibe, aber sie brachte keinen Ton hervor. Dann hörte sie seine Stimme, leise und sacht.
»Schau.«
Zuerst glaubte sie, ihre Augen spielten ihr einen Streich. Auf dem Boden vor ihr leuchtete ein weißes Licht auf, es wuchs, quoll aus der Dunkelheit wie eine Quelle aus dem Erdreich, ein kühles, reines, silbrigweißes Licht, als schiebe sich der volle, winterliche Mond hinter einer dunklen Wolke hervor.
Ninian spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufrichteten. Dann sprach er wieder, rau und brüchig, wie vor einem Jahr.
»Ich werde deiner niemals überdrüssig, Ninian, niemals, hörst du? Nicht, solange ich lebe.«
Ungläubig hob sie die Augen von dem Teich weißen Lichts zu ihren
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