AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
sein Aussehen empfand, nicht ganz verbergen.
Jermyn grinste.
»Schau, er wirkt direkt menschlich trotz des Mummenschanzes.«
»Ja, Brruder, und so kurios«, begeisterte sich der Bulle, seine Verstimmung vergessend, »er wird Tifons Missgeburrten in den Schatten stellen. Es war doch ein gutter Kauf.«
Churo verstand die herablassenden Worte nicht. Er sah nur das anerkennende Lächeln auf den Gesichtern der beiden Männer. So faltete er die Hände vor der Brust und neigte würdevoll den Kopf. Sie erwiderten die Geste, der Bulle, weil er ein gutmütiger Kerl war, und Jermyn, weil er spürte, dass die neugewonnene Selbstachtung den Auftritt des Mannes in der Arena noch beeindruckender machen würde.
Eta aber kniete vor seinem Herrn und betrachtete ihn mit gerührter Hingabe, als falle von dem Glanz des jungen Mannes auch etwas auf ihn.
Als Kaye später dazukam und Churo in seiner ganzen Pracht sah, musste er zugeben, dass er es nicht besser hätte machen können. Er geriet geradezu aus dem Häuschen, als er den fremdartigen Schnitt der Kleider sah, und bedrängte Eta mit Fragen, aber den schienen seine Sprachkenntnisse auf einmal verlassen zu haben - der Schneider erntete nur verständnislose Blicke und Kopfschütteln.
Verdrossen kam er in die Schreibstube, wo Jermyn, der Bulle und Witok darüber berieten, was mit dem Gebäude, das sie nun verlassen würden, geschehen sollte.
»Wirr sollten es behalten«, meinte der Bulle gefühlvoll, »zurr Erinnerung.«
»Bruder, du spinnst«, erwiderte Witok kopfschüttelnd und Jermyn stimmte ihm zu.
»Im Gegenteil, wir verkaufen es!«
»Aber hier hat die Scytenschule begonnen. Der Ruhm ...«
»Ach was, Ruhm - Gold ist besser als Ruhm ...«
»Hast du schon entschieden, welchem Glückspilz du die Loge überlassen willst?«, platzte Kaye in das Streitgespräch, unbekümmert auf die Nachsicht vertrauend, die er dank seiner Freundschaft mit Ninian genoss. Aber diesmal fuhr ihn der Bulle ärgerlich an:
»Nicht so neugierig, Schneider, das wirrst du noch früh genug errfahren. Wenn ich es dir erzähle, weiß es bald die ganze Stadt.«
»Nun höre mal«, entrüstet plusterte Kaye sich auf, aber Jermyn fiel ihm kalt ins Wort: »Du hast den Bullen gehört, Kaye. Verzieh dich zu deinen Klamotten, hier geht’s um Wichtigeres...«
Tief gekränkt verließ Kaye die Schreibstube und Jermyn schrie ihm nach:
»Wenn’s dir gefällt, kannst du überall erzählen, dass die Loge leer bleiben wird!«
In LaPrixas Behandlungszimmer fielen gerade die gleichen Worte. »Dann bleibt sie eben leer«, schimpfte Ninian. »Ich habe jedenfalls keine Lust, mich den missgünstigen Blicken all dieser gaffenden Weiber auszusetzen.«
Seit sie bei der Hautstecherin angekommen war, hatte sie sich immer mehr in Zorn geredet und jetzt glühte sie vor gerechter Empörung.
Als Jermyn ihr in der Badezelle erzählt hatte, dass der Bulle ihnen die Loge angeboten habe und sie auf einer Stufe mit dem Patriarchen und den höchsten Würdenträgern Deas stehen würden, hatte ihr Herz einen merkwürdigen kleinen Satz gemacht. Der Stolz in seinen Augen hatte ein übriges getan, um ihr einen entzückten Ausruf zu entlocken. Sie war ihm um den Hals gefallen und eine Menge Wasser war noch aus dem Zuber geschwappt, bis sie endlich herausgeklettert waren. Jermyn war hochzufrieden über ihre Freude gewesen und an jenem Abend hatte eitel Wonne im Palast geherrscht.
Aber in den nächsten Tagen hatte sie Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was es bedeutete, an so hervorgehobener Stelle zu sitzen - Tausenden von Blicken ausgesetzt und Ziel von unendlichem Getuschel und Gewisper. Wo sie hinkam, hörte sie die Leute Vermutungen darüber anstellen, mit wem der Bulle die Loge teilen würde, und Kaye erzählte ihr, dass seine vornehmen Kundinnen sich die Mäuler zerrissen.
»Sie finden, es sei eine Zumutung, wenn er eines seiner Liebchen dort hinsetzt, und sie die liederliche Person während der ganzen Vorstellung vor Augen haben müssen. Das Mädel kann einem leid tun, man wird auf allen Plätzen über sie herziehen und die hohen Damen werden sie mit eisiger Verachtung strafen. Hu«, er schüttelte sich, »Frauen können grausam sein.«
Ninian hatte das gar nicht gefallen. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Sticheleien und verächtlichen Blicke der Damen bei der Eröffnung der Scytenschule und den Freien Tänzen, an den wütenden Hass, der ihr im Tempel der Dunklen Göttin entgegengeschlagen war. Während der
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