AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
aus den kleinen Wellenkräuseln wurden große und Jermyn drängte zum Aufbruch.
Ninian konnte sich nicht trennen. Sie hatte diesen Tag auf dem See genossen und es fiel ihr schwer, Abschied zu nehmen. Nach dem Misserfolg in der Villa d’Este würde sie Jermyn nicht mehr lange zum Bleiben bewegen können. Als er immer ungeduldiger wurde, bat sie um ein letztes Bad und sprang kopfüber vom Bootsrand. Ein ganzes Stück entfernt tauchte sie auf und schwamm mit schnellen, kräftigen Stößen auf Elys Villa zu. Jermyn sah ihr nach, bis ihr dunkler Kopf erneut unter Wasser verschwand. Als sie das zum ersten Mal gemacht hatte, war ihm fast das Herz stehengeblieben. Ganz fidel war sie wieder zum Vorschein gekommen und inzwischen hatte er sich daran gewöhnt. Während sie sich so amüsierte, war ihm nichts anderes zu tun geblieben, als gelangweilt die Landschaft anzustarren, die sie so entzückte, und das tat er auch jetzt.
Elys Haus war das letzte auf dieser Seite des Sees, so wie die Wand an seiner Rückseite der letzte Ausläufer der Felsen war. Ihre westliche Flanke fiel zu einem sanften Hang ab, überzogen vom hellen, frühsommerlichen Grün der Laubbäume. Dort, wo er endete, musste auch das Ende des Sees liegen, das Ufer machte einen scharfen Knick nach Süden und verlief bis Neri etwa parallel zum gegenüberliegenden Ufer. Auch diese Seite war bewaldet, aber der Baumwuchs war spärlicher und lichter, unterbrochen von Feldern und Weiden. In der Kehre des Ufers hatte Jermyn einen Einschnitt ausgemacht, ähnlich der Mündung eines Flusses und - er richtete sich auf, so gut es in dem schaukelnden Boot ging- wenn er sich nicht irrte, trugen ihn die heftiger werdenden Wellen genau dorthin. Elys Villa fiel immer weiter zurück, und der Himmel verdüsterte sich zusehends, es gab Zeit, dass sie verschwanden. Wo blieb Ninian? War es nicht schon eine ganze Weile her, seit er sie gesehen hatte? Der See war tief und kalt, vielleicht gab es Ungeheuer in seinen dunklen Abgründen ...
Schwere Regentropfen klatschten auf seinen nackten Rücken und er wollte gerade in Panik geraten, als sich ein weißer Arm aus den Wellen emporreckte. Er erschrak, als er sah, wie weit sie sich von ihm entfernt hatte. Sie war beinahe auf einer Höhe mit der Kehre des Sees und winkte ihn heftig zu sich.
Fluchend hantierte er mit den schweren Riemen. Es dauerte eine Weile, bis es ihm gelang, die beiden Hölzer gleichzeitig einzutauchen und weiträumig durchzuziehen, wie sie es ihm gezeigt hatte. So gut es ging, hielt er auf sie zu, den Blick fest auf ihren Arm gerichtet. Durch die grauen Regenschleier, die über den See strichen, war er kaum noch zu sehen. Er durfte sie nicht verlieren.
Die Riemen scheuerten seine Handflächen wund, aber verbissen umklammerte er das Holz, aus Leibeskräften rudernd. Erleichtert spürte er, dass das Boot tatsächlich schneller wurde. Nun musste er noch darauf achten, dass er sie nicht übersah.
Der Kahn schoss über die Oberfläche des Sees, die der prasselnde Regen zu Schaum aufwühlte und endlich erschien ihr Kopf längsseits. Sie klammerte sich an den Riemen, hangelte sich daran zum Bootsrand, stemmte sich hoch und ließ sich erschöpft auf den Boden fallen. Jermyn hatte aufgehört zu rudern, aber der Kahn verlangsamte seine Fahrt nicht.
Nackt wie sie war, warf Ninian sich auf die Bank, packte den Riemen und ruderte mit aller Macht in die andere Richtung.
»Zurück«, schrie sie über das Tosen des Regens, »zurück, so schnell du kannst! Los ... feste, feste!«
»Was ist?«, brüllte Jermyn und versuchte, ihre Bewegungen nachzuahmen.
»Strömung - wir sind in eine Strömung geraten«, keuchte sie, langte über ihn und entwand ihm das Ruderholz.
»Ich mach’s besser allein, wenn wir nicht gleichmäßig rudern, hat es keinen Zweck«, schrie sie und legte sich in die Riemen, aber es half nichts, das Boot wurde weitergerissen.
Jermyn spürte, wie das kleine Gefährt unter ihm auf den Wellen bockte und sprang wie die übermütigen Fohlen, die sie auf der Reise gesehen hatten. Sie hatten darüber gelacht, aber dies war kein Spaß mehr. Da er nicht helfen konnte und Ninian nur behinderte, glitt er von der Ruderbank und kroch in den vorderen Teil des Bootes.
Der Regen stürzte wie eine Wand vom Himmel, Sturmböen peitschten Schilf und Gräser, ergriffen die Kronen der Uferbäume und beugten sie bis zum Boden.
Ein Blitz fuhr in den Wald, krachender Donner folgte. Brüllend entlud sich das Gewitter über ihnen und
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