AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
verabscheut mich!«
»Na, großartig und was jetzt?«
Wütend schlug er mit der Faust auf die Ruderbank. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt. Er hasste dieses Gefühl, hasste diesen elenden Felsen und den verdammten Fluss, das ganze dreimal verfluchte Land
Ninian antwortete nicht. Ohne ihn anzusehen, löste sie das Seil um ihre Mitte. Und plötzlich verstand er.
»Ich soll da rein und schieben?«
Sie nickte unglücklich. »Erinnerst du dich an die Kette aus dem Brautschatz? Du konntest sie anfassen ... Es bleibt uns nichts anderes übrig, wenn wir nicht den Rest unserer Tage hier verbringen wollen«, sagte sie mit einem schwachen Versuch zu scherzen.
Jermyns Blick wanderte von ihr zu dem tosenden Wasser. Es wirkte massiv - eine unaufhörlich heranrollende Walze aus grünem Glas, die alles zermalmte.
Er schluckte hart und nahm ihr das Seil aus der Hand.
»Was ist, wenn er mich auch nicht trägt?«, fragte er gepresst, um nicht mit den Zähnen zu klappern.
»Er wird dich tragen. Er muss ... geh auf meiner Seite rein, da hast du mehr Standfläche, ich werde mit dem Riemen nachhelfen. Lass den Bootsrand nicht los, und wenn du ihn doch verlierst, wenn das Boot wieder freikommt, halt dich am Seil fest, ich zieh dich hoch.«
»Ja, ja, ich weiß schon, ich werde ersaufen!«
Trotz ihrer Versicherungen hielt Jermyn den Atem an, als er sich ins Wasser ließ. Der Stein war kalt und hart, aber nicht fremder als jeder andere, auf dem er gestanden hatte. Das Wasser dagegen schien sehr wohl etwas gegen ihn zu haben. Mit Wut stürzte es sich auf ihn und obwohl es ihm nur bis zu den Oberschenkeln reichte, wenn er sich auf dem Felsen aufrichtete, zerrte die Strömung mit hundert Händen an ihm. Gischt spritzte ihm ins Gesicht und mühsam unterdrückte er die aufsteigende Panik.
»Schieb«, dachte er grimmig, »tu, was du tun musst, denk nicht an das beschissene Wasser ...«
Er suchte nach festem Halt und seine Zehen, vom Klettern an kleinste Einbuchtungen und Vorsprünge gewöhnt, ertasteten winzige Unebenheiten. Er verankerte sich so gut es ging, stemmte sich gegen das Boot und schob mit aller Kraft. Es rührte sich nicht.
Ninian kniete in der Wasserlache am Boden, sie hatte den Riemen aus seiner Halterung gelöst und benutzte ihn als Stange.
»Man muss nachsehen, an welcher Stelle der Rumpf hängt«, schrie sie Jermyn zu.
»Wer ist man?«, brüllte er aufgebracht zurück, aber er hangelte sich am Bootsrand entlang und tastete den Felsen mit den Füßen ab.
Das Wasser war eisig, seine Zehen stießen schmerzhaft gegen das Gestein. Einmal rutschte eine Hand ab und eine heranschießende Woge spülte über seinen Kopf hinweg. Nach Luft ringend kam er wieder zum Vorschein und hing mit geschlossenen Augen am Boot, bevor er sich verbissen weiterschob. Am vorderen Ende des Bootes angekommen, spürte er den Felsen nicht mehr, die Spitze hing frei im Wasser. Er umrundete sie, immer nach dem Stein tastend, und als er auf der Höhe der Ruderbank war, zog er sich hoch.
»Das Ding ... hängt ... nur an einer ... Stelle richtig fest«, keuchte er, »... müssen es nach rechts ... rüber schieben, ins freie Wasser.«
Ninian hatte die roten Stoppeln nicht aus den Augen gelassen. Sie nickte, hob den Riemen auf die linke Seite und stocherte nach einer Stelle, wo sie ihn als Hebel einsetzen konnte. Jermyn hing halb im Boot, die Zähne zusammengepresst.
»Schaffst du es?«, rief sie und packte den Riemen fester.
»Was für ’ne blöde Frage«, knurrte er und glitt ins Wasser zurück.
Gemeinsam stemmten sie sich gegen das Boot. Ein leises Zittern des Rumpfes machte ihnen Hoffnung und sie versuchten es erneut.
Es war eine mühselige Arbeit. Mehr als einmal rutschte Jermyn ab und verschwand im Wasser, die Kälte drang ihm in die Glieder, machte sie taub. Sie erlebten einen schreckenerregenden Augenblick als der Riemen mit einem Krach brach und Ninian beinahe aus dem Boot gefallen wäre. Zu ihrem Glück war der Teil, der in ihren Händen zurückgeblieben war, noch als Stange zu gebrauchen. Aber Jermyns Kräfte ließen nach.
Angstvoll beobachtete Ninian sein von Anstrengung verzerrtes Gesicht, die bläulich verfärbten Finger am Bootsrand. An seinen Armen traten die Sehnen wie Stricke hervor. Lange würde er nicht mehr in dem kalten Wasser aushalten.
Über seinen Kopf hinweg sah sie in dem weißen Schaum den dunklen Ast, der genau auf sie zuhielt. Sie schrie und stemmte sich mit aller Kraft gegen die Stange. Jermyn konnte
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