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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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gesessen und Strohschuhe geflochten hatte, war baufällig gewesen. Vom Wirt hatten sie erfahren, dass der alte Thomai wegen seines Brustübels nicht mehr aufs Wasser fuhr und ein kümmerliches Leben vom Verleih seiner Boote fristete.
    Auf dem Weg durch das Dorf kehrten sie bei der Bäuerin ein, die ihnen auch gestern ihre Wegzehrung verkauft hatte. Sie wollten den ganzen Tag auf dem See bleiben und die Frau schöpfte ein ordentliches Stück Ziegenkäse aus der Salzlake und schnitt dünne Scheiben von einem schwärzlichen Ranken getrockneten Fleisches, schlug beides in Ölpapier und packte es mit Brot und Oliven in Ninians Beutel.
    Wie am Tag zuvor lief ihre Zunge flink dahin, während sie arbeitete, und es schien sie nicht zu stören, dass sie kaum Antwort bekam. Schon gestern hatte sie erzählt, dass sie früh als Witwe mit drei kleinen Kindern zurückgeblieben war. Sie ernährte sich, die Kinder und ihre alte Mutter, indem sie im Frühjahr und Sommer den Gästen ihre einfachen, bäuerlichen Speisen verkaufte, die Gäste aus Dea als willkommene Abwechslung zu der verfeinerten, städtischen Küche schätzten. Im Winter filzte sie und fertigte aus dem Walkstoff Jacken, Westen, Hüte und Decken für die Dorfbewohner.
    »Braucht’s net a Deckn?«, fragte sie geschäftstüchtig und hangelte eine Schnur mit getrockneten Apfelringen vom Deckenbalken. »De hält den Regen ab wie nix andres.«
    Ninian sah durch die Tür in den blauen Himmel hinauf und schüttelte den Kopf.
    »Es sieht nicht nach Regen aus«, meinte Jermyn, aber die Frau hob warnend den Finger.
    »Sagt des net, a G’witter is schnell da, wann’s so heiß is. Heut Nacht hat mei Mutter s’ Reißen in de Bein g’habt - a untrüglich’s Zeichen, dass es Wetter sich wandelt.«
    Ninian, die es kaum erwarten konnte, auf den See und zu den stillen Wäldern und aufragenden Felsen zu kommen, stampfte ungeduldig mit dem Fuß. Die Bäuerin warf ihr einen listigen Blick zu.
    »Er redt wohl net gern, euer G’sell, ha?«
    »Nein, er stottert und ist scheu deswegen«, erwiderte Jermyn freundlich und streckte die Hand gebieterisch nach dem prall gefüllten Beutel aus. Auch ihr zahlte er, was sie verlangt hatte, die Frau war geschwätzig, aber gutmütig und ohne Misstrauen. Sie verstaute die Münzen zufrieden unter ihrer Schürze und als sie schon unter der Tür waren, rief sie:
    »Wo geht’s denn hin, heut?«
    Diesmal war Ninian darauf vorbereitet.
    »Zu Ely ap Bede«, antwortete sie schnell.
    »Ah so, zu einem von de Neureichen«, erwiderte die Frau mit unbewusstem Dünkel, »der hat die Villa von de Pentecostes gekauft, als de ins Unglück kommen sind. Gebt’s aber acht, da seid’s schon recht nah am Ausfluss ...«
    »Ja, ja, wir passen schon auf ... uff, was für eine schwatzhafte Person«, schimpfte Ninian leise, während sie den engen, steilen Weg hinuntergingen, der zur Dorfstraße führte.
    »Du hast vergessen zu stottern«, zischte Jermyn vorwurfsvoll.
    »Was? Du bist wohl nicht gescheit! Was ist überhaupt in dich gefahren, zu sagen, ich stottere und sei scheu?«
    »Deine Stimme ist so weiblich. Mir ist so schnell nichts anderes eingefallen, ich konnte dich schließlich nicht stumm machen, sie haben dich schon reden gehört.«
    »Du hättest sagen können, ich sei ein schweigsamer Mensch.«
    »Bist du aber nicht!«
    »Ich stottere auch nicht!«
    Er grinste boshaft. »Dann wollte ich dich wohl ärgern, was?«
    Die Bäuerin sah den beiden Burschen schmunzelnd nach, wie sie, sich freundschaftlich anrempelnd in die Dorfstraße einbogen und hinter dem Haus des Schusters verschwanden. Sie war ein lustiges Mädel gewesen und mochte es, wenn junge Leute übermütig und sorglos waren. Sie kamen früh genug, die Sorgen, das wusste sie aus eigener, leidvoller Erfahrung. Bevor sie sich unter die niedrige Tür bückte, um wieder an ihr mühseliges Tagwerk zu gehen, wanderte ihr Blick über den strahlend blauen Himmel und blieb an dem weißen Wolkenwisch hängen, der sich zärtlich an den höchsten Gipfel jenseits des Sees schmiegte. Wenn sie’s nur nicht übertrieben mit dem Übermut ...
     
    Vier Stunden nach Mittag war aus dem unschuldigen Wölkchen ein Heer bleigrauer Wolkenmassen geworden, die Bäuerin schloss eilig die Läden gegen das aufkommende Unwetter und der alte Thomai bemühte sich, an das schwere Lederbeutelchen zu denken und nicht an die beiden auf dem Wasser, als sein Kahn immer noch weit draußen, am westlichen Ende des Sees auf den heftiger werdenden

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