AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
ein wenig zittrig.
»Tidis dagegen meint, ich dürfe dich nicht aufregen. Also gehe ich jetzt.«
»Ja, aber komm bald zurück und bring was zu essen mit. Ich glaube, ihr wollt mich verhungern lassen.«
In den ersten Tagen hatte Tidis darauf geachtet, dass sie nicht zu viel aßen, besonders Jermyn hatte sie knapp gehalten. Am Morgen nach ihrer Ankunft war Ninian völlig ausgehungert erwacht und hatte mit dünner Hafergrütze, einem Kanten dunklen Brotes und Kräutertee vorlieb nehmen müssen.
Nach der Mahlzeit war sie Tidis mit klopfendem Herzen in die Krankenstube gefolgt. Jermyn war so schwach gewesen, dass er kaum die Augen geöffnet hatte, nur ein schwaches Zucken um seine Mundwinkel zeigte, dass er sie erkannt hatte. Doch die fahle Blässe des Todes hatte sein Gesicht verlassen und der verhängnisvolle, rote Streifen an seinem Bein war verblasst. Erst das hatte Ninian überzeugt, dass die Gefahr vorüber war. Nachdem Tidis ihm einen schmerzlindernden Trank eingeflösst hatte, war er eingeschlafen. Seither ging es ihm täglich besser und er begann sich über das magere Essen zu beklagen. Tidis wartete jedoch in aller Seelenruhe ab, bis er frei von Fieber war, dann erst erlaubte sie ihm, etwas anderes zu sich zu nehmen als Haferschleim und einen Sud aus Gemüse und Kräutern.
Als hätte sie Jermyns Stoßseufzer gehört, hatte sie an diesem Tag wie für ein Festmahl aufgekocht und sogar eines ihrer kleinen Hühner geopfert. Zur Mittagszeit trug Ninian ein schwerbeladenes Tablett an Jermyns Bett. Sie schmausten dampfende Brühe, gebratenes Hühnchen, gesottene Wurzeln und Erdknollen und einen Stapel kleiner, runder Fladen, die von Sirup troffen, bis nichts mehr übrig war.
Es war der Auftakt zu einer Reihe üppiger Gelage, denn Tidis kochte und backte hingebungsvoll für ihre Gäste, bis Jermyn sich misstrauisch auf den Bauch klopfte.
»Sie mästet uns«, meinte er, »ich frage mich, was sie mit uns vorhat.«
Er verbrachte die Tage nicht mehr in der Krankenstube. Wie Tidis vorausgesagt hatte, hatte er es im Bett nicht lange ausgehalten, und sobald der Zustand der Wunde es zuließ, gab sie seinem Nörgeln nach und erlaubte ihm aufzustehen.
Zwischen zwei Apfelbäumen hinter dem Haus befestigten sie eine Hängematte für ihn, die alte Frau kramte ein paar Krücken hervor und gab sie Jermyn unter der Bedingung, dass er sie nur kurz benutzte und sich zwischendurch in der Hängematte ausruhte. Am ersten Tag übertrieb er es und fieberte am Abend. Nachdem Tidis ihn gnadenlos für zwei weitere Tage ins Bett verbannt hatte, befolgte er ihre Anweisungen.
Ninian hatte insgeheim gefürchtet, er werde, sobald es ihm besser ging, ungeduldig auf die Rückkehr nach Dea drängen. Sie vermied es sorgfältig, davon zu sprechen. Aber es schien, als habe sich seine Unrast gelegt. Er war zufrieden damit, durch den Garten zu humpeln, in der Hängematte zu liegen und das gute Essen zu vertilgen, das Tidis ihnen vorsetzte.
Das Wetter blieb unverändert schön und Ninian war vollkommen glücklich. Nur selten dachte sie an Wag und Kamante, die verrückt vor Sorge sein mussten. Jedes Mal tröstete sie sich damit, dass Jermyn Wag gewiss beruhigende Gedanken sandte und ab und zu prüfte, ob im alten Palast alles im Reinen war. Aber sie hütete sich, ihn mit einem einzigen Wort daran zu erinnern.
Als sich unter der Kruste neue Haut bildete, zog Jermyn aus der Krankenstube zu ihr auf den Heuboden, obwohl er sich am Anfang über den Ziegengeruch beklagte. Aber viele Tage lagen sie wie Bruder und Schwester nebeneinander, der Kampf gegen das Gift in seinem Körper hatte ihn viel Lebenskraft gekostet. Es störte Ninian nicht, sie genossen dankbar die Nähe des anderen und schliefen so viel wie selten.
Am glücklichsten wirkte jedoch Tidis. Sie arbeitete den ganzen Tag in ihrem Garten, versorgte ihre Tiere und stand stundenlang am Herd. Manchmal fragte Ninian sich, woher sie die köstlichen Dinge nahm, die sie ihnen auftischte.
»Wann hast du die denn gefangen? Ich hab dich nicht weggehen sehen.«
Tidis hatte ein halbes Dutzend Fische an Stecken über dem Rost gebraten und ihnen mit frischgebackenem Brot und scharfem Rettich vorgesetzt.
»Ich stehe, früh auf, im Gegensatz zu anderen, liebes Kind«, erwiderte die alte Frau freundlich und Ninian errötete. Sie ließen sich oft erst blicken, wenn die Sonne schon hoch am Himmel stand.
»Aber es ist weit zum Fluss«, fing sie wieder an und Tidis lächelte.
»Oh, ich bin noch ganz gut zu
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