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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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essen wir in Ruhe, es hat keine Eile.«
    Während sie aßen, erzählte Tidis von ihren Wanderungen, die sie in alle Länder und alle Zeiten der Welt geführt hatten, von den mannigfaltigen Ereignissen, deren Zeugin sie gewesen war, und von den Versuchungen, in das Geschehen vor ihren Augen einzugreifen.
    »Aber mein Gebieter hatte mich davor gewarnt, dem Lauf der Dinge eine andere Richtung zu geben, denn dadurch muss ich die Verantwortung mittragen für alles, was folgt. Und ich habe erlebt, dass es so war. Daher habe ich mich darauf beschränkt, als Heilerin nach dem Willen der Götter zu wirken. Sie blicken mit Wohlwollen auf mich, solange ich nicht zu oft den Übergang in die andere Welt hinauszögere, wie ich es bei dir getan habe.«
    Ninian verzog das Gesicht und lenkte schnell ab.
    »Woher kennst du die Guten Väter?«
    »Das Haus der Weisen? Die kenne ich, seit es errichtet und der Orden gegründet wurde. Ich gehe oft dorthin, denn die Väter kennen mein Geheimnis, ich brauche mich nicht zu verstellen und das ist eine Erleichterung.« Sie lächelte wehmütig. »Was Vater Pindar angeht, so habe ich auch in sein Schicksal eingegriffen. Auf einer meiner Wanderungen war ich in ein Dorf gekommen, in dem eine Seuche alle Bewohner hinweggerafft hatte. Neben der Leiche einer Frau, die gerade erst verstorben war, fand ich ein kleines Kind, lebend und unversehrt. Ich nahm den Jungen mit und zog ihn groß, hier an diesem Ort, bis er etwa zwölf Jahre alt war und ich merkte, dass ich mich von ihm trennen musste. Ich gab ihn zu den Grauen Brüdern, die ihn unterrichteten, und als seine Fähigkeit, unendliche Geduld mit allen hitzköpfigen, unvernünftigen und ungeduldigen Menschen zu haben, immer deutlicher zutage trat, schickten sie ihn ins Haus der Weisen. Ich denke, du hast viel mit ihm zu tun gehabt.«
    Sie zwinkerte Jermyn zu.
    »Dann musst du wahrhaftig alt sein«, sagte Ninian tief beeindruckt, »Vater Pindar war einer der ältesten Väter.«
    Tidis seufzte. »Ich bin nicht alt, Kind, ich - bin einfach. Aber es ist so, wie du sagst, Pindar hat mehr Jahre gesehen als jeder andere im Haus der Weisen«, sie nickte traurig und Ninian biss sich auf die Lippen. Tidis sah es und lächelte. »Die Väter werden älter als gewöhnliche Menschen, eine Weile wird er mir noch erhalten bleiben.«
    »Hast du ihn besucht, als wir dort waren?«
    Tidis schmunzelte.
    »Nein, aber glaub mir, ich werde ihn besucht haben!«
    Ninian starrte sie an und versuchte zu begreifen. Sie würde in die Zeit zurückkehren und vielleicht würde sie ihnen begegnen, im Speisesaal oder den Kreuzgängen - einem mürrischen, aufsässigen Jungen und einem heiteren, unbekümmerten Mädchen.
    Ihr schwindelte bei dieser Vorstellung und sie warf Jermyn einen heimlichen Blick zu.
    Aber Jermyn war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Er zerkrümelte ein Stück Brot und warf die Brocken dem kleinen, schwarzen Huhn hin, das jeden Morgen unter dem Tisch nach Essbarem pickte.
    »Kannst du auch in die Zukunft sehen?«
    Das Lächeln verschwand von Tidis Antlitz und ein Ausdruck herber Strenge glitt über ihre Züge.
    »Über die Zukunft darf ich nicht sprechen und ich will es auch nicht«, sagte sie mit solcher Endgültigkeit, dass Jermyn nicht weiter in sie drang. Als habe seine Frage ihre Stimmung verdorben, sagte sie beinahe barsch:
    »Ihr solltet aufbrechen, selbst mit meiner Hilfe liegt ein langer Marsch vor euch. Ich werde euch Wegzehrung, Wasser und Stiefel geben, damit ihr nicht wieder unliebsame Bekanntschaft mit kriechenden Tieren macht.«
    Der Abschied fiel Ninian schwer. Wehmütig lief sie noch einmal durch den Garten. Nur wenige Bienen summten träge durch die kühle Luft. Auf den Beeten waren die Blumen abgeblüht, in der Früh, als sie aufgestanden waren, hatte ein milchweißer Tauschleier alles überzogen und im Schatten hatte das Gras unter ihren Füßen geknistert. Tidis Herbst neigte sich dem Winter zu und Ninian fragte sich, ob sie ihrer Zeit den Lauf ließ, so dass sie in ihrer dicht verschneiten Hütte sitzen würde, wenn in der übrigen Welt die Hitze des Hochsommers über dem Land brütete. Als sie Tidis gefragt hatte, ob der Stein im Brunnen immer noch zerborsten wäre, wenn sie sich in eine andere Zeit versetzen würde, hatte sie vielsagend gezwinkert.
    »Darauf kannst du dich verlassen, Mädchen. Damit hast du mir einen großen Dienst erwiesen.«
    Zum letzen Mal betrat sie den kleinen Heustadel, wo sie so gut geschlafen hatten, und

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