AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
Jermyn, »hat Thalia auch ausgeplaudert, wo er das Teil aufbewahrt?«
»Nein, ich denke nicht, dass sie das weiß. Vielleicht sitzt er ja drauf, das wäre eine richtige Mondfinsternis.« Kaye kicherte.
Als sie die Gladiatorenschule verließen, überraschte Jermyn den Schneider damit, dass er das zaghafte Angebot, in seinem Wagen in die Ruinenstadt zu fahren, gnädig annahm. Mit schmeichelhafter Aufmerksamkeit lauschte er dem Geplauder über die Gewohnheiten der Reichen und lachte an den richtigen Stellen. Und dann vergrätzte er Kaye, indem er ihn nach den Lebensgewohnheiten des Patriarchen und seiner schönen Gemahlin fragte.
»Du weißt doch, dass ich keinen Zutritt zu den fürstlichen Gemächern gefunden habe«, grollte der Schneider.
»Ich werde dich empfehlen, wenn ich den alten Herrn das nächste Mal besuche«, sagte Jermyn sanft, als er am Rand des Ruinenfeldes aus der Kutsche kletterte.
»Pah«, erwiderte Kaye beleidigt, »mach dich nur über mich lustig.«
2. Kapitel
30. Tag des Hitzemondes 1465 p.DC.
Jermyn hing an der Brücke der Qualen, wie Ninian das Gerät nannte, während sie ihre Hände mit Kreidestaub einrieb.
Obwohl die Sonne kaum über den Horizont gestiegen war, war es heiß und sie hatten die hölzernen Blenden vor den Fenstern geschlossen. Nur in den frühen Morgenstunden war es noch möglich, die täglichen Übungen an den Foltergeräten zu verrichten, auf denen Jermyn unerbittlich bestand.
Nachdem er den ersten Durchgang hinter sich gebracht hatte, nahm sie seinen Platz ein.
»Ich geh morgen mit dem Bullen und Babitt in die Höfe, der Meister trifft auf die drei Herausforderer, die übriggeblieben sind.«
»Wieso kämpft der Bulle in den Höfen?«, keuchte Ninian.
»Nicht der Bulle, du unwissendes Geschöpf, der Meister des Himmelsspiels, Gambeau. Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber wir stecken mitten in der Kleinen Meisterschaft. Seit zwei Wochen spielt die ganze Stadt, zwar nicht um den Titel, aber immerhin. Alle wollen wissen, ob Gambeaus Thron wackelt.«
»Oh ja«, sie angelte nach dem nächsten Holm, »man kann keinen Schritt tun ... ohne über einen Pulk Männer zu stolpern ... die auf den Boden kritzeln, Steinchen schmeißen oder wie Stelzvögel herumhüpfen ... lächerlich.«
Sie war am Ende der waagerechten Leiter angekommen und drehte wieder um.
»Solange man Pausen zwischen den Worten machen muss, sollte man lieber den Mund halten«, grinste Jermyn und erntete einen vernichtenden Blick.
Als sie wieder auf dem Boden stand, sagte sie: »Wann willst du dahin?«
»Morgen, morgen ist der große Tag«, pfeifend griff er in den Kreidebeutel.
Ninian starrte ihn an.
»Aber ... aber das geht nicht«, entfuhr es ihr.
»Warum nicht?« Jermyn hing schon wieder am Gerüst. »Es ist das wichtigste Ereignis für jeden Himmelsspieler nach der Großen Meisterschaft. Alle gehen hin. Du kannst ja mitkommen.«
»Was? Ich will doch nicht an Langeweile sterben, da gibt’s doch bestimmt kein Spiel unter drei Stunden.«
Jermyn schnaubte.
»Du hast ja keine Ahnung, nicht bei den Meisterspielern, die können das so schnell berechnen ...«
»Ja, aber jeder Wurf und jeder Sprung wird stundenlang bekakelt und durchgekaut. Das meine ich aber nicht - hast du vergessen, welcher Tag morgen ist?«
»Nein, der zehnte Tag des Reifemonds im vierunddreißigsten Regierungsjahr unseres vielgeliebten Patriarchen«, erwiderte Jermyn würdevoll, »eben der Tag der Kleinen Meisterschaft.«
»Ja, und es ist auch der Tag, an dem vor genau einem Jahr Sasskatchevan und Castlerea geheiratet haben, was nicht zuletzt uns zu verdanken war«, sagte Ninian bedeutungsvoll.
»Tatsächlich? Ein Jahr ist das her?«, er hangelte sich ungerührt weiter, »na schön, aber was hat das damit zu tun, dass ich zu den Meisterspielen will?«
»Jermyn!«
Etwas in ihrem Tonfall bewirkte, dass er sich verrenkte, um sie anzusehen.
»An diesem Tag haben nicht nur Artos und Sabeena geheiratet«, sie errötete.
»Oh«, er ließ sich fallen und trat zu ihr. »Ein Jahr?«, fragte er weich und zog sie in die Arme. Sonst gestatteten sie sich keine Zärtlichkeiten während der Übungen und der verletzte Ausdruck wich aus ihrem Gesicht.
»Ja,« flüsterte sie, »ist das nicht ein Grund zum Feiern? Nur du und ich.«
Sie hob ihr Gesicht und schloss die Augen, aber sie wartete vergeblich.
»Was ist? Was hast du?«
Jermyn schob sie ein wenig von sich.
»Das wäre gewiss sehr nett«, antwortete er langsam, »aber es
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