AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
splitterfasernackt sein ... warum konntest du nichts anderes nehmen?«
»Weil alles andere nass ist«, antwortete Ninian schlicht, aber er zeterte weiter. Plötzlich krachte es, die Ochsen brüllten entrüstet und ein heftiger Ruck ging durch den Wagen. Der aufgestapelte Hausrat geriet ins Wanken und Kaye stürzte kopfüber in das Durcheinander von Stoffballen, Kisten und Körben.
»Mensch, Kaye, du bis kein begnadeter Fahrer nich, des wissn wa schon«, grölte eine gereizte Stimme, »aber kannste nich wenigstens die Glubscher aufsperrn un dein Gespann zügeln, wenn alle halten? Jetz rauschste mir schon det zweite Mal rein, beim nächstn Mal gibt's Klatsche!«
Ninian wand sich eilig aus den letzten Stofflagen, schlüpfte mit Abscheu in ihre klammen Kleidungsstücke und angelte nach ihren Stiefeln. Über den stöhnenden Kaye hinweg, kletterte sie ins Freie.
Draußen mühte sich der Fuhrmann des Vordergespanns damit ab, Kayes Ochsen und seine Ersatztiere, die hinter seinem Wagen hergetrottet waren, auseinanderzubringen. Er warf Ninian einen grämlichen Blick zu.
»Die Viecher sin genauso doof wie ihr Herr«, knurrte er, »meine Ochsen spüren, wenn der Wagen vor ihnen stehen bleibt un rührn sich nich. Aber die hier? Immer rin ins volle Leben!«
»Soll ich dir helfen?«, bot Ninian an, aber er maß sie halb mitleidig halb verächtlich.
»Nee, Mädchen, wie willste mir denn helfen? Die Ochsen bei die Schwänze halten? Lass ma.«
Er ließ sie stehen und wandte sich seiner Arbeit zu. Gekränkt durch die Abfuhr, stapfte Ninian an den Wagen entlang um zu sehen, warum der Zug ins Stocken geraten war.
Mittlerweile war der Himmel wolkenlos und die Sonne spiegelte sich blendend in den vielen Pfützen, mit denen der Weg übersät war. Die feuchte Erde dampfte und voll Behagen fühlte Ninian die Sonnenwärme auf ihren Schultern. Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute zu den dunklen Baumwipfeln hinauf. Unzählige Wassertropfen glitzerten in dem goldenen Licht und plötzlich lachte sie in schierer Lebensfreude.
Etwa in der Mitte des Zuges stieß sie auf das vertraute Bild. Ein großer, stattlicher Wagen steckte mit einem Hinterrad tief in einem Schlammloch. Schon waren die Planken untergeschoben, ein halbes Dutzend Männer stemmten sich gegen den Wagenkasten. Bisher waren ihre Anstrengungen vergeblich gewesen, jemand brüllte nach einem weiteren Paar Ochsen. Die Männer fluchten, sie waren dieser Arbeit überdrüssig. Nun mussten sie warten bis die Ochsen herangetrieben und angeschirrt waren und selbst dann war nicht gewiss, ob sie den Wagen flott machen konnten.
Es machte die Sache nicht einfacher, dass er besonders empfindliche Fracht geladen hatte. Josh ap Gedew, der mit edlen Tonwaren handelte, beschwor die Knechte, nur ja recht vorsichtig anzuschieben, nicht ruckartig, vor allem aber gleichmäßig, damit nicht die Achse bräche und – was die Götter verhüten mögen – der Wagen umkippte. Die Männer murrten und knurrten, mehr über die ungebetenen Ratschläge als die harte Arbeit. Endlich rief der Erste Knecht:
»Los, los, wir versuchen's noch emol so, ohne e zweites Paar Ochse. Aaalle mitenaaaaand...«
Die Männer spuckten in die Hände und stemmten sich gegen den Wagenkasten. Ninian drängte sich zwischen sie und legte Hand an.
»Oi Kleine, was willste hier?«, knurrte ihr Nachbar, »des is nix für 'n Mädel. Da störste nur.«
»Du kennst wohl nicht die Geschichte von der Rübe, was?«, keuchte Ninian, ohne ihren Platz zu räumen.
»Hä?«
»Na, die große Rübe, an der Großvater, Großmutter, Enkel, Hund und Katze zogen, ohne sie herauszubekommen. Dann packte die Maus an und – heraus kam die Rübe. Siehst du, vielleicht bin ich die Maus«, erklärte sie ernsthaft.
»Loss se«, knurrte der Erste Knecht, »wenn's ebbe mit'm Gfries im Baatz lande möcht. UUUND HEBT ... UUUND HEBT ...«, brüllte er und die Männer stemmten sich gegen den Wagen, dass ihre Schläfenadern anschwollen und die Sehnen an ihren Armen wie Stricke hervortraten. Der Wagenlenker ließ die Peitsche über den Köpfen der Ochsen knallen, um sie anzuspornen, und Josh ap Gedew rang die Hände.
Ninian ließ ihren Geist in den Schlamm sinken. Durch den fetten Lehm unter dem Mutterboden konnte das Wasser nicht absickern. Vollgesogen war er wie ein Schwamm, das eisenbeschlagene Rad fand keinen Halt darin. Darunter lag guter, fester Felsen, etwas tief zwar, aber dem ließ sich abhelfen. Komm, Freund, hörst du die Stimme der
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