Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
Vom Netzwerk:
Mutter? Komm zu mir, hebe dich ein wenig, komm mir entgegen. Spürst du die Mutter? Ein wenig höher nur, Freund Fels. Ein wenig höher ...
    Menschen bemerken das unendlich langsame Erwachen des Gesteins nur, wenn es sich zur verheerenden Gewalt eines Erdbebens steigert. Ninian aber spürte den leisen Schauer, der wie ein Atemzug durch den Felsen lief. Das Gebein der Erde rührte sich, aber nicht stärker als ein Mensch, der aus der Bewusstlosigkeit des Tiefschlafs in die Ebene des Traumes gleitet. Freund? Hörst du mich? Im Namen der Mutter, hebe dich ... sanft, sanft ... ein wenig nur ...
    Die Platten waren es gewohnt, ihre Stimme, ihre Berührung zu spüren und ihr zu gehorchen, wie der Erdenmutter selbst. Sie folgten dem Ruf, drückten den Lehm beiseite und stiegen, bis das Eisenband des Rades sich nicht mehr hilflos durch weichen Schlamm wühlte, sondern knirschend Grund auf unnachgiebigem Felsen fand. Geschoben und gezogen von Männern und Ochsen glitt der Wagen mit einem kräftigen Ruck vorwärts. Ninian löste sich gerade rechtzeitig aus dem Gestein, um mitzulaufen, sonst wäre sie in der Tat mit dem Gesicht im Schlamm gelandet. Auch die Knechte hatten nicht mit dem raschen Erfolg ihrer Anstrengungen gerechnet und stolperten überrascht hinter dem Gefährt her.
    Josh ap Gedew verschwand eilig im Inneren des Wagens. Es dauerte nicht lange, da steckte er den Kopf heraus.
    »Sehr gute Arbeit, Männer! Heute Abend gibt's eine Runde Würzbier für alle. Dabei fällt mir ein, der Zugführer hat befohlen, das Kochzelt aufzustellen, es gibt also endlich was Warmes in den Bauch!«
    Die Fuhrknechte johlten und klopften sich vor Begeisterung derb auf die Schultern. Ninian duckte sich rasch und wollte sich davonmachen, bevor eine freundliche Pranke sie zu Boden schlug, aber ihr Nachbar hielt sie am Arm fest.
    »Oi, Kleine, wo willste hin?«, schmunzelte er. »Was haste da grade von 'ner Maus gequatscht? Nächstes Mal wern wir die Maus gleich dazuholen, was, Freunde? Vielleicht macht se die Arbeit ja ganz alleine.«
    Die anderen grölten zustimmend, aber es klang freundlich. Wohlwollend blickten sie auf das zierliche Mädchen herab.
    »Ja, wer weiß?«, erwiderte sie keck und hätte am liebsten laut herausgelacht.
    »Oho, habt ihr das gehört, Brüder? Bescheiden is se nich, die Maus«, knurrte ihr Nebenmann, ein vierschrötiger, krummbeiniger Kerl mit dickem struppigem Haar. Beinahe hätte sie doch noch ein paar Püffe bekommen, wäre nicht der Erste Knecht dazwischengetreten.
    »Z'ruck an d'Arbeit, Männer. Mir ham noch e mächtigs Stück Weg vor uns, eh der Herr des Kochzelt aufstelln lasst. Un des war net des letzte Schlammloch, drauf fress i an Ochsn samt G'spann!«
    Er wandte sich mürrisch an Ninian und brummte: »Un du, mach das d' zu deim Wagn kommst, mir ziehn weiter.«
    Der Erste Knecht gehörte zu Elys Sippe; wie sein Herr war er nicht glücklich über die Anwesenheit einer Frau im Wagenzug und er machte kein Hehl daraus. Die Arme in die Seiten gestemmt, betrachtete er Ninian misstrauisch, im Gegensatz zu den anderen Männern hatte ihn der Vorfall nicht günstiger gestimmt.
    Mit einem Schulterzucken gehorchte sie, obwohl sie lieber bei den Männern geblieben wäre. Aber das Sonnenlicht glänzte auf Pfützen und nassen Blättern, als sie zurückging, blau schimmerte der Himmel durch das Grün und Schwarz der Baumkronen und die Freude darüber wärmte ihr Herz.
    7. Tag des Blütemondes 1464 p. DC
    Den Nähbeutel über der Schulter, wanderte Ninian von der Wagenburg weg. Eine Woche war vergangen seit sie die Regenwolken fortgeschickt hatte. Das Wetter war schön geblieben, sie waren gut vorangekommen und für heute hatte Ely ap Bede einen Ruhetag angeordnet. Der Wagenzug hatte die waldlose Kuppe eines langgezogenen Hügelrückens erreicht. Morgen würde es bergab gehen, durch dichtes Gehölz, bis sie die geheimnisvollen Schluchten erreichten. Dahinter erstreckte sich die weite, lathische Ebene bis zur Küste und der sagenumwobenen Stadt Dea.
    Mehrere Feuer brannten und der rhythmische Hammerschlag des Schmieds klang vom zweiten Wagenkreis herüber. Er hatte reichlich zu tun, das Geräusch hatte sie in der Frühe geweckt und war seither nicht verstummt.
    Sie watete durch einen Haufen gelber Sägespäne, einige Deichseln und anderes Gerät musste neu gezimmert werden. Einen Augenblick blieb sie stehen und bewunderte die Farben, in denen der Kaufmann Fab ap Kastel seine Plane bemalen ließ – grün, blau und gelb

Weitere Kostenlose Bücher