Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
Vom Netzwerk:
anziehen, damit mein Vater die Größe oder einen Faltenwurf prüfen konnte. Als ich älter wurde, wollte ich das nicht mehr. Mein Vater glaubte, dass ich mich deswegen schämte. Aber ich schämte mich dafür, dass ich es genoss. Einmal erwischte er mich, als ich heimlich ein fertiges Kleid angezogen hatte. Da muss er etwas geahnt haben, denn er hat mich halb tot geprügelt. Und von diesem Moment an hat er mich verachtet. Weil ich geschickt war, konnte er auf meine Hilfe nicht verzichten, also hat er mich widerwillig ausgebildet und als Gesellen beschäftigt. Er nahm sonst keinen Gehilfen, wohl weil er Angst hatte, ich würde mich an ihn heranmachen und meine Schande offenbaren. Vor zwei Jahren ist er gestorben und ich richtete mich ein, sein Nachfolger in unserem Dorf und für die paar adeligen Damen auf den Gütern zu werden.«
    Kaye ließ die Näharbeit sinken. Er kniff die Augen zusammen, als wolle er Tränen zurückhalten.
    »Dann kam ein Gaukler in unser Dorf, ein Magier aus Dea. Er war ein berühmter Mann gewesen, aber er musste die Stadt verlassen, weil er mit einem Mächtigen über Kreuz geraten war, wie er sagte. Er war von der gleichen Art wie ich und durch ihn lernte ich, dass auch wir Erfüllung finden können. Und er sprach davon, dass es in der großen Stadt für uns leichter wäre, denn dort gäbe es jedes Laster und solange man nicht zu viel Lärm mache, könne man tun, was man wolle.«
    Kaye lächelte ein wenig.
    »Er meinte, mein Talent sei in der Provinz verschwendet. Ich war sehr unglücklich, als er weiterzog, aber von diesem Augenblick an wollte ich nach Dea. Ich fand jemanden, der mein Haus und den Laden kaufte und habe mich Ely ap Bede angeschlossen, weil er einen nicht übers Ohr haut. Jetzt weißt du, wie es um mich steht. Ich habe nicht geglaubt, dass ich das jemals erzählen würde, aber du kannst mich kaum mehr verachten.«
    Er starrte angestrengt auf seine Hände, die letzten Worte hatten bitter geklungen.
    Ninian war wie betäubt, sie dachte an Jermyn. Auch ihr schnürte die Sehnsucht nach ihm die Kehle zu, aber mit der gleichen Macht ergriff sie die Verzweiflung über dieses Gefühl, das sie zwang, sich von allem zu trennen, was ihr lieb war.
    »Lalun hatte recht. Sie erlaubt sich grausame Scherze mit uns, die Liebe!«
    Kaye fuhr auf.
    »Was sagst du da? Willst du dich über mich lustig machen?«, fragte er ärgerlich.
    Ninian hielt seinem vorwurfsvollen Blick stand.
    »Nein, ich mache mich nicht lustig über dich, aber du warst sehr offen zu mir, Kaye. Ich habe nicht gewusst, dass es solche wie dich gibt und ich verstehe es auch nicht ganz. Aber es steht mir nicht zu, über dich zu urteilen. Ich lasse meine Eltern und mein ganzes Volk im Stich wegen eines Diebes und Einbrechers. Ich weiß nicht, ob ich ihn überhaupt finden werde oder wie ich mit ihm leben soll, aber ich kann nicht anders handeln.«
     
    Am nächsten Tag kam die Reise des Wagenzuges vor den Schluchten zu einem vorläufigen Ende und Ely ap Bede sah seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden.
    Zwei Wochen später ritt Ninian durch die Tore Deas, der Göttlichen und begann ihre Suche.

6. Kapitel
    15. Tag des Weidemondes 1464 p. DC
nach Sonnenuntergang
    Jermyn vergaß zu atmen; einen schwindelerregenden Augenblick lang setzte sein Herzschlag aus. Seine Tischgenossen, die anderen Gäste versanken in blauen Schwaden und das Stimmengewirr wich in weite Ferne, als sei er plötzlich taub geworden.
    Nur das Mädchen blieb, scharf umrissen und überdeutlich. Eine Erscheinung, geboren aus seiner Sehnsucht und dem Rauch der verdammten Bilhas ...
    Jemand rempelte sie an und sie runzelte die Brauen. Da begriff er.
    Die Stuhlbeine kreischten über die roten Tonfliesen, mit einem Ruck stand er auf, ohne sich um die verblüfften Blicke der anderen Männer zu kümmern. Seine Beine gehorchten ihm nicht recht, seine Kehle war trocken.
    »Ninian?« Mehr als ein heiseres Flüstern brachte er nicht heraus.
    Sie starrte ihn an. Um ihren Mund zuckte es, ihr Gesicht war weiß, als wollten ihr in der verräucherten Luft die Sinne schwinden.
    »Jermyn ...«
    »Verzeiht, edler Herr!«
    Ein kräftiger Stoß holte ihn unsanft in die Wirklichkeit zurück. Das Schankmädchen hatte ihm die Ecke ihres vollbeladenen Tabletts in die Rippen gebohrt und drängte sich an ihm vorbei. Der Zauber war gebrochen, Lärm und ärgerliche Rufe brachen mit Wucht über ihn herein.
    »Holla, bewegt euch!«
    »Weiter, weiter ...«
    »Ja, Platz da, Platz ...«
    Die

Weitere Kostenlose Bücher