AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
verhindern. Und da man vorsichtig sein muss, solche Vermutungen und Befürchtungen zu äußern, hatten wir beschlossen, den Brautschatz zu entwenden, denn ohne ihn gibt es keine Hochzeit. Durch deine unbedachte Tat hast du unsere Pläne gefährdet. Aber komm«, die Stimme des Edelmannes wurde plötzlich lind wie eine Frühlingsbrise, entgegenkommend breitete er die Arme aus, »vielleicht ist noch nicht alles verloren. Wenn außer dir und mir noch niemand von dem Diebstahl weiß, können wir den Schaden begrenzen. Du gibst mir den Brautschatz zurück und ich gebe dir dafür, sagen wir, hundert Goldstücke und wir vergessen die ganze Sache. Was sagst du dazu, Jermyn?«
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, entspannt, als sei er sicher, dass sein Angebot angenommen würde.
Ninian, die dicht an die Tür gepresst stand, war gegen ihren Willen von den Worten des Mannes beeindruckt. Vielleicht hatte Jermyn die Lage wirklich falsch eingeschätzt. Was wusste er schon von den Staatsgeschäften, er hatte oft genug gesagt, dass ihm alles gleich war, was ihn nicht selbst betraf. Da rührte sich Wag, der unter ihr kauerte.
»Quatschen konnt er schon immer, der Mistkerl«, brummte er. »Wenn der Patron bloß nicht drauf reinfällt ...«
Aber Jermyn beugte sich vor und wedelte mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht des anderen, so dass dieser angewidert zurückfuhr.
»Du verkennst die Lage, alter Mann. Es ist nicht an dir, Vorschläge zu machen oder Forderungen zu stellen, und es interessiert mich überhaupt nicht, warum du den Brautschatz gestohlen hast. Zurückgeben werde ich ihn dir ganz gewiss nicht.«
Fortunagra fuhr hoch, die schmeichelnde Stimme bekam einen schrillen Unterton.
»Was willst du denn damit machen, junger Narr? Verkaufen – an wen? Glaubst du, irgendein Hehler in der ganzen Stadt würde es wagen, ein Stück davon auch nur anzurühren? Oder willst du dich am Ende als edler Finder ausgeben? Pah, du würdest schneller im Kerker sitzen, als ein Hund Flöhe fängt. Und selbst wenn du verrätst, woher du ihn hast, wem würden sie eher glauben, dir, einem diebischen Stück Dreck aus der Gosse oder mir, einem angesehenen Edelmann?«
Jermyn lachte.
»Du hältst mich wirklich für einen Gimpel. Ich mache ihn zu Gold, zu viel Gold, wenn du es wissen willst. Und ich werde mich nicht als Finder ausgeben, das überlasse ich anderen. Aber die Belohnung kassiere ich trotzdem und zwar von dir, dem angesehenen Edelmann. Dafür, dass ich nicht erzähle, wo der Schatz gefunden wurde. Und diesmal darfst du mir glauben: Es gibt jemanden, der nicht den geringsten Zweifel an deiner Schuld hätte. Er verdächtigt dich ohnehin und ich könnte ihm die nötigen Dokumente und Zeugen liefern.«
Der Ehrenwerte Fortunagra wurde eine Spur blasser, er sagte keinen Ton, aber Jermyn nickte.
»Ja, Duquesne, der eingebildete Hund, er hat dich schon lange im Visier, nicht wahr? Nur weil sein Vater ihn an der kurzen Leine hält, kann er dir nichts anhaben. Aber wenn er dem Patriarchen Beweise dafür vorlegt, dass du die schönen Heiratspläne zunichte machen wolltest, wird unser edler Herr seine schützende Hand von dir abziehen. Dir bleibt nichts anderes übrig als zu zahlen. Die ganze Belohnung, fünftausend Goldstücke, wenn ich nicht irre.«
Mit fasziniertem Entsetzen verfolgte Ninian das Spiel, das Jermyn mit dem Edelmann trieb. Er täuschte nicht länger Gelassenheit vor, sondern bleckte die Zähne wie ein Raubtier, das sich seiner Beute sicher ist. Ein unbarmherziger Gegner ...
»Siehste, unser Patron wird mit dem Mistkerl noch allemal fertig«, murmelte Wag zufrieden neben ihr.
»Er ist nicht mein Patron«, zischte sie, aber Wag stieß ihr den Ellenbogen in die Seite und legte den Finger auf die Lippen.
In der Tat hatte es Fortunagra zunächst die Sprache verschlagen.
»Woher soll ich fünftausend Goldstücke nehmen«, brachte er schließlich mühsam heraus, »die Belohnung hätten der Patriarch, Castlerea und der alte Sasskatch zusammen aufgebracht. Ein einzelner Mann kann eine solche Summe nicht auftreiben.«
»Och, gleich kommen mir die Tränen«, höhnte Jermyn, »es wird dich schon nicht an den Bettelstab bringen. Die fünftausend hast du schnell beisammen. Ich habe die Schuldverschreibungen in deinem Versteck gesehen und sie dir in meiner Weisheit gelassen. Bist du nicht dankbar dafür?«
Fortunagra hob den Kopf und seine Augen glühten hasserfüllt.
»Ja, die hast du mir gelassen. Aber die anderen Papiere aus dem
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