AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Seemann. Woher weißt du, dass ich es bin?«
»Wenn's nicht die albernen Stacheln wären, dann deine verdammte Stimme, du Geck!«
»Süße Worte. Warum bist du hier?«
»Halt mich nicht zum Narren«, fauchte Dubaqi zornig, »wir haben etwas vor und du wolltest sehen, wie ich klettere. Wenn du diese Spielchen nicht lässt, komm ich rauf und zeig dir, was ich kann, dass dir Hören und Sehen vergeht.« Er machte Anstalten, die Wand zu erklimmen. Bevor er weit gekommen war, glitt Jermyn von der Mauer herunter. Lauernd standen sie sich gegenüber.
»Ah, jetzt kommt's mir«, Jermyn schlug sich gegen die Stirn. »Der Einbruch. Hab ich doch ganz vergessen, das Zettelchen in die Bildersäule zu legen, was? Du bist leider umsonst gekommen, ich brauche deine Dienste nicht mehr, kannst gleich wieder verschwinden.«
Dubaqi knirschte mit den Zähnen, seine Hand fuhr an den Gürtel. Mit einem Satz brachte Jermyn sich in den Schatten in Sicherheit. Er hatte nicht vor, sich auf einen Messerkampf einzulassen. Nur wenige Schritte würden ihn in den Irrgarten des Ruinenfeldes bringen, in dem er jeden Stein, jeden Schlupfwinkel kannte und Dubaqi leicht abhängen konnte.
Aber der Südländer bezwang sich. Jermyn hatte ihn richtig eingeschätzt, er war einer jener klugen Gefolgsleute, die nicht in blindem Gehorsam handelten, sondern den Sinn eines Auftrags verstanden. Duquesne würde es ihm nicht danken, wenn er dem einzigen Bindeglied zu dem Brautschatz sein Messer in den Leib rammte. Er räumte das Feld, um neue Anweisungen zu holen.
»Das wirst du noch bereuen, du Hund«, knurrte er und verschwand in der Dunkelheit.
Jermyn sah ihm nicht nach. Er hatte Dubaqi seine Unverschämtheit in der Fremdenschenke heimgezahlt, wie ein Laufbursche würde der wütende Seemann Duquesne herholen.
Mit dem wohligen Gefühl befriedigter Rache im Bauch kehrte er in den Palast zurück. Bisher war alles gut gegangen, aber Duquesne war aus anderem Holz geschnitzt als Artos und selbst als der Ehrenwerte. Er konnte sich hervorragend verschließen, vielleicht sogar lenken. Man musste auf der Hut sein, seine Abscheu bezwingen und kaltes Blut bewahren.
Als er die Halle betrat, waren die Fackeln weit heruntergebrannt. Ninian war noch nicht zurück und ihn packte die Unruhe.
Wenn sie Duquesne in die Arme lief? Sie war allein, er konnte sie als Hure aufgreifen lassen oder, noch schlimmer, er bot ihr seinen Schutz an. In jedem Fall war es unerträglich, sie in seiner Gesellschaft zu wissen. Jermyn biss die Zähne zusammen. Er durfte sich nicht von seiner Eifersucht ablenken lassen, zu viel hing von der Begegnung mit Duquesne ab. Mit Mühe sammelte er sich und schickte seinen Geist hinaus.
Von Nordosten näherten sich zwei Schemen, kaum abgeschirmt der eine, unsichtbar für jeden anderen als Jermyns geübten Geist der andere – Dubaqi und Duquesne. Von Süden her aber bewegte sich ein hell leuchtendes Licht auf den Palast zu. Ninian, die keinen Grund sah, sich zu verbergen. Besorgt beobachtete Jermyn, wie sie herankamen und er kämpfte mit sich, ob er sie warnen sollte.
Bei ihr fürchtete er die Rolle des heimlichen Lauschers – am Ende erfuhr er Dinge, die er nicht wissen wollte, bestimmt aber nahm sie es übel, wenn er in ihren Geist eindrang.
Zu seiner Erleichterung war sie schneller als die beiden Männer und schlüpfte atemlos in die Halle.
»Ich bin den ganzen Weg gerannt«, keuchte sie, »ich war so unruhig.«
Jermyn hätte sie umarmen können. Wie in Fortunagras Schlafgemach hatte sie seine Not gespürt. Es gab ein Band zwischen ihnen, ein enges, festes Band.
»Gut, dass du da bist«, erwiderte er nur, »Duquesne wird gleich hier sein. Du solltest nach oben verschwinden.
»Nein, ich will wissen, was du mit ihm zu reden hast!«
Jermyn seufzte, aber er hatte nichts anderes erwartet.
»Dann bleib wenigstens im Schatten, er muss dich nicht unbedingt sehen«, befahl er. Folgsam trat sie aus dem Schein der Fackeln und lehnte sich im Halbdunkel an eine Säule.
Duquesne betrat die Halle allein, doch Jermyn spürte Dubaqis Gegenwart vor den Palastmauern.
Ohne seine Umgebung eines Blickes zu würdigen, kam Duquesne auf ihn zu, die Schritte hallten in dem düsteren Gewölbe.
»Was hast du damit gemacht?«, fragte er ohne Einleitung, seine Stimme klang hart. Gegen seinen Willen war Jermyn beeindruckt. Duquesne hatte die Farce durchschaut.
»Was habe ich womit gemacht? Wovon redest du? Und wie komm' ich überhaupt zu der Ehre deines
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