AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Besuchs?«
Duquesne sah aus, als wolle er ihm ins Gesicht springen. Mühsam beherrscht erwiderte er: »Halt mich nicht zum Narren, Kerl. Du weißt genau, warum ich hier bin. Wir hatten eine Abmachung und du hast dich nicht daran gehalten. Also, wo ist der Brautschatz?«
»Man kann keinen zum Narren halten, der nicht schon einer ist, Duquesne. Woher soll ich wissen, wo der Brautschatz ist? Immer noch da, wo er vorher war, nehme ich an.«
Gelangweilt betrachtete Jermyn seine Fingernägel. Duquesne starrte ihn an und änderte unvermittelt sein Verhalten. Er trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und meinte verächtlich:
»Ich hab dich falsch eingeschätzt. Du verschwendest meine Zeit mit Albernheiten. Als du Dubaqi zurückgeschickt hast, war mir klar, dass du auf andere Weise dein Ziel erreicht hast. Du hast den Brautschatz, davon bin ich überzeugt. Sag mir, wo er ist, sonst müsste ich dich nicht nur für einen Schurken, sondern auch für einen Schwachkopf halten.«
Jermyn fuhr zornig auf und ließ die gelangweilte Pose fallen.
»Pass auf, was du sagst! Gut, du hast Recht, ich habe den Brautschatz geholt, aber er ist nicht mehr hier. Ich habe ihn weitergegeben.«
»An wen?«
Jermyn sagte es ihm und Duquesne lachte.
»Bist du verrückt?«, bellte er. »Der Weichling hat nichts mit dieser Heirat im Sinn, dem war es nur recht, dass der Schatz weg war. Er wird dafür sorgen, dass er jetzt für immer verschwindet. Wahrscheinlich liegt er schon auf dem Grund des Flusses! Du bist ein größerer Narr, als ich dachte.«
In ihrem Winkel hörte Ninian, wie Jermyn zischend den Atem einzog. Duquesne taumelte, als habe er einen Schlag erhalten. Er fing sich schnell und verharrte unbeweglich. Schweiß glänzte auf der dunklen Stirn, die eisigen Augen schienen tiefer in die Höhlen zu sinken, aber er wankte kein zweites Mal. Schließlich wandte Jermyn sich ab, sein Gesicht war grau und eingefallen. Beide atmeten schwer, als hätte ein heftiger Kampf stattgefunden, den keiner für sich entscheiden konnte, dabei hatte keiner einen Schritt getan. Sie merkte, dass sie die Nägel tief in die Handflächen gebohrt hatte.
Mit Duquesne hatte Jermyn nicht so leichtes Spiel wie mit Artos Sasskatchevan. Sie würde ihm beistehen, wenn es nötig wurde, aber welch ein Jammer war es, dass die beiden Feinde waren ...
Schließlich brach Jermyn das Schweigen. »Lass uns ein andermal sehen, wer stärker ist. Aber ich will dich beruhigen: Artos wird den Schatz morgen mit gebührendem Pomp präsentieren und die Heirat wird stattfinden, darauf kannst du dich verlassen. Die Pläne des Patriarchen werden nicht fehlschlagen, wenigsten nicht deshalb.«
Duquesne nahm die Worte hin, wenn sie ihm auch sichtlich missfielen.
»Wie hast du es gemacht?«, fragte er finster, »wer war dein zweiter Mann? Du warst sehr sicher, dass es allein nicht möglich war, den Schatz zu holen.«
»War es auch nicht«, erwiderte Jermyn und sein Gesicht verzog sich ein wenig bei der Erinnerung an die langen Minuten in der vergifteten Luft der Geheimkammer. »Aber einen zweiten Mann hatte ich trotzdem nicht.«
»Ich habe keine Lust, mit dir Rätsel zu raten«, meinte der andere mürrisch, »sag schon, wie du es geschafft hast. Willst du dich nicht mit deinen Taten brüsten?«
Als er keine Antwort bekam, zuckte er scheinbar gleichgültig die Schultern, doch Jermyn grinste schadenfroh, er durchschaute die Verstellung. Obwohl Duquesne sich bewundernswert in der Gewalt hatte, war ihm die Enttäuschung anzusehen. Nicht er würde den Brautschatz mit Glanz und Gloria zurückbringen und das Lob des Patriarchen einheimsen, sondern der alberne Artos.
»Was ist mit der Belohnung?«, fragte er jetzt. »Auf die warst du doch so scharf.«
»Die bekommt natürlich Artos, immerhin bringt er ja den Schatz zurück«, erklärte Jermyn tugendhaft und nach einer Pause setzte er genüsslich hinzu: »Aber er wird mir etwas davon abgeben.«
Duquesne bleckte die Zähne. »Es geht alles, wie du willst, was? Ich sollte dir das Grinsen aus dem Gesicht schlagen«, knurrte er, »mit solchem Geschmeiß mache ich sonst kurzen Prozess!«
Er machte einen Schritt nach vorn. Jermyn wich nicht zurück. Das Grinsen blieb, aber ein wachsamer Ausdruck trat in seine Augen.
»Versuch es doch. Wenn du mich nicht gerade umbringst, weiß morgen die ganze Stadt, dass der großmächtige Duquesne sich mit einem Gossenbengel geprügelt hat und dabei vielleicht ganz schön was
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