AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Schnurren, verschwand der Kopf wieder in den schwarzen Zotteln. Jermyn grinste.
»Dir entgeht so leicht nichts, was, LaPrixa?«
Er wurde plötzlich ernst.
»Ohne deine Hilfe hätte ich den Goldnagel nie gefunden und ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Du hast ein Recht auf einen Teil der Belohnung, aber bevor ich dir Goldstücke gebe, will ich dir etwas anderes anbieten.«
Er zog die Pergamentrolle hervor, die er aus Fortunagras Geheimkabinett genommen hatte. LaPrixa nahm sie und rollte sie misstrauisch auseinander. Kaum hatte sie begonnen zu lesen, klappte ihr Unterkiefer herunter. »Was ... wie ... wie kommst du daran?«, murmelte sie, während ihre Augen hastig über die Seite glitten. Als sie auch die zweite Seite ansehen wollte, flatterte ein dünnes Blättchen zu Boden, das zwischen den beiden Bögen verborgen gewesen war. Sie hob es auf.
Ninian erschrak über die Veränderung, die mit der Frau vorging. Das Blut wich aus ihrem Gesicht, schwarz hoben sich die Narben von der lehmfarbenen Haut ab. Wie gebannt starrte sie auf das Fetzchen Papier in ihrer Hand. Um ihren Mund arbeitete es und als sie endlich sprach, war ihre Stimme verzerrt.
»Verschwindet, alle, lasst mich allein!«
Jermyn hatte LaPrixa unruhig beobachtet. Er verstand nicht, was solches Entsetzen hervorrufen konnte und plötzlich spürte er Cheroots Hand auf seiner Schulter. Der Riese umklammerte sie wie ein Schraubstock und er hörte, wie Ninian aufstöhnte. Jermyn wand sich, aber der Türsteher ließ ihn nicht los. Sein Gesicht war grimmig, aber seine Augen waren besorgt auf die Frau gerichtet, der jetzt schwarze Tränen über die Wangen liefen.
»Los, raus hier, habt doch gehört, was LaPrixa sagt.«
Er zerrte sie wie zwei Kinder zur Tür. Wütend tastete Jermyn nach dem Geist des Hünen, als noch einmal LaPrixas erstickte Stimme erklang.
»Sanft, Cheroot, sie haben nichts B...böses ge...getan.«
Sie schniefte und der eisenharte Griff lockerte sich. Der große Mann öffnete die Tür und scheuchte die beiden jungen Leute vor sich her. Draußen sahen sie sich ratlos an.
»Was habt ihr gegeben meiner Herrin?«, grollte Cheroot. »So habe ich nie sie erlebt. Wenn ihr Schaden zufügt, besser betet zu euren Göttern ...«
Jermyn schüttelte verwirrt den Kopf.
»Ich weiß nicht, ich dachte, sie wäre zufrieden mit dem, was ich ihr gab.« Er brach ab. Es war nicht der Schuldschein gewesen. Der hatte sie nur überrascht, erst das kleine Blatt hatte ihr die Fassung geraubt. Es war ihm nicht aufgefallen, als er die Rolle halb geöffnet hatte. Beunruhigt lauschten sie auf das Schluchzen hinter der Tür. Cheroot knurrte.
»Gebt acht – wenn ihr verletzt habt LaPrixa ...«
»Gib selber acht, bevor du mich noch einmal anfasst, großer Mann!«, fauchte Ninian böse. Sie rieb sich die Schulter. »Ich mag nicht herumgezerrt werden.«
Cheroot erwachte aus seiner Besorgnis. Erstaunt musterte er das zierliche Mädchen, das kaum bis zu der Dämonenfratze auf seiner Brust reichte, aber die grauen Augen starrten furchtlos zurück. Jermyn lachte leise, aber bevor Cheroot sich von seiner Verblüffung erholt hatte, wurde die Tür aufgerissen und LaPrixa schrie:
»Kommt rein, kommt rein.«
Sie bot keinen schönen Anblick. Die schwarze Schminke war in Rinnsalen über ihre Wangen gelaufen, aber ihr Gesicht hatte seine normale Farbe und ihre Augen funkelten.
»Die Bekanntschaft mit dir tut meinem Aussehen gar nicht gut, du Lump«, grinste sie, »erst musste der Nasenring dran glauben und jetzt ist die Bemalung zum Teufel. Bringt mich zum Heulen, der Kerl! Bestimmt sehe ich schrecklich aus, aber warte, ich werd's dir heimzahlen, Bürschchen.«
Sie zog den überraschten Jermyn an sich, küsste ihn schallend und als sie ihn losließ, waren seine Wangen ebenso schwarz verschmiert wie ihre.
»He, was soll das?«
Ärgerlich fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und betrachtete angewidert die Farbe an seinen Fingern. Ninian biss sich auf die Lippen, aber LaPrixa lachte laut und hemmungslos. Sie wischte sich die Augen und reichte Jermyn ein weißes Tuch von einem hohen Stapel. Die Pergamentrolle vor ihm schwenkend, fragte sie:
»Weißt du, was das ist, mein Jermyn?«
»Ein Schuldschein auf deinen Namen, über eine hohe Summe, die du Fortunagra schuldest«, sagte er mürrisch, während er mit dem Tuch an seinem Gesicht rieb.
»Ja, und schon dadurch erhältst du mir fast zweitausend Goldstücke, die ich diesem blutsaugerischen Wucherer noch in den
Weitere Kostenlose Bücher