AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
zufrieden. Sie stand auf, schüttelte ihre Röcke und musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Du bist etwas aus der Form geraten, mein Lieber. Ich habe heute meinen freigiebigen Tag, soll ich dir deine Stacheln aufrichten? Umsonst, versteht sich!«
Sie griff unsanft in sein rotes Haar. Aber Jermyn zog den Kopf weg und rutschte von der Fensterbank, auf der er gesessen hatte. Für heute hatte er genug von LaPrixa. Mit einer spöttischen Verbeugung sagte er:
»Ich danke dir für dein großzügiges Angebot, LaPrixa, mir ist gerade nicht nach Barbierdiensten. Sei aber versichert, dass ich darauf zurückkommen werde. Jetzt will ich wissen, ob Artos den Brautschatz brav abgeliefert hat. Gehab dich wohl. Komm, Ninian!«
Er ergriff ihre Hand und zog sie mit sich. Sie folgte ihm bereitwillig und ehe der erstaunte Cheroot sich rühren konnte, waren sie zur Tür hinaus.
»Bastard!«, murmelte LaPrixa finster, aber als Cheroot sie fragend ansah, schüttelte sie den Kopf.
»Lass sie. Du würdest sie nicht ohne Gewalt herbringen und er hat mir einen Dienst erwiesen. Er wird schon kommen, wenn er was will.«
Leise, wie zu sich selbst, fügte sie hinzu:
»Und ich hoffe, er bringt sie wieder mit, die kleine Hübsche!«
Erst als sie das Badehaus weit genug hinter sich gelassen hatten, im Menschenstrom einer belebten Straße, ließ Jermyn Ninians Hand los. Vorsichtig sah er zu ihr hinüber, aber sie erwiderte seinen Blick mit so offenkundiger Erleichterung, dass er auflachte.
»Puh, du hast seltsame Freunde, Jermyn. So eine Frau habe ich noch nie gesehen. Die könnte selbst meine Tante Eyra das Fürchten lehren!«
Sie biss sich auf die Lippen, es war ihr anzumerken, dass der Gedanke an ihr Verwandte schmerzte.
»Sie gehört nicht zu meinen Freunden«, erwiderte Jermyn schnell, »und sie ist tatsächlich furchterregend. Aber ich bin froh, dass ich ihr die Besitzurkunde geben konnte. Was Schrecklicheres kann ich mir nicht vorstellen, als Eigentum eines anderen zu sein, sich nicht bewegen zu können, wie man will. Im Haus der Weisen hab ich mich manchmal so gefühlt, am Anfang haben sie mich auch gegen meinen Willen festgehalten. Später war es anders ...« Da wäre ich nicht mehr gegangen, selbst wenn sie mich gelassen hätten.
Er sprach es nicht aus. Die Erinnerung gewaltsam beiseite schiebend, grinste er plötzlich. »Außerdem brauchen wir ihr jetzt nicht unser sauer verdientes Gold in den Rachen schmeißen. Sie hätte ihren Anteil zwar verdient, aber so ist es mir lieber. Ich freue mich schon geradezu auf die Schlepperei, wenn Artos mit seiner ,Belohnung' rausrückt. Aber warte mal – wohin rennen die eigentlich alle?«
Er blieb so plötzlich stehen, dass sein Hintermann unsanft gegen ihn stieß.
»Oi, du Rotzlöffel, kannste nich achtgeben?! Fast wär mir der ganze Kram im Dreck gefallen!«
Jermyn drehte sich um und musterte mit hochgezogenen Brauen den Händler, der brummend die Näschereien in seinem Bauchladen zurechtschob. Unter dem schwarzen Blick fiel sein Ärger in sich zusammen.
»Oi, nix für ungut, junger Herr«, er duckte sich und wollte weiterlaufen, doch Jermyn hielt ihn fest.
»Was gibt's zu sehen?«
Der Mann riss die Augen auf.
»Ihr habt wohl lang geschlafen, was? Die ganze Stadt weiß es schon: Der junge Sasskatch hat den Brautschatz gefunden un gibt ihn gleich dem Castlerea zurück, im Patriarchenpalast un wenn wir uns tummeln, kommen wir noch zum Einzug zurecht. Mit 'n bisschen Glück schmeißt er mit Münzen um sich un was die Leute leicht zufällt, rücken sie auch leicht wieder raus. Is ja fast 'n Wunder, dass ausgerechnet der Bräutigam den Plunder findet ...«, er schüttelte den Kopf, dann erhellte sich sein Gesicht, »wie is es, junger Herr, wollt Ihr zur Feier des Tages nich was kaufen für Euer Schätzken«, einladend wies er auf das klebrige Naschwerk, »was Süßes für die Süße.«
Er brach ab und glotzte den beiden jungen Leuten nach, die sich lachend umdrehten und – sich gegen den Menschenstrom stemmend – in der Menge verschwanden.
*
Zweiter Teil: Die Hochzeit
1. Kapitel
28. Tag des Hitzemondes 1464 p. DC
»Komm schon, ich hätte mindestens dreimal hier einbrechen können, während du zur Decke gestarrt hast. Mir reicht's und du wirst dir noch den Hals verrenken. Es gibt in Dea noch mehr zu sehen.«
Jermyn zerrte Ninian am Ärmel zum Ausgang und widerstrebend löste sie den Blick von der majestätischen Wölbung der Kuppel. Gebildet aus winzigen
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