Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
Vom Netzwerk:
Schlafwandler bewegt und keine Erinnerung an den seltsamen Auftrag behalten hatte. Die Bretter und auch die Truhe hatten sie mit der Seilwinde heraufgeschafft. Es war ein schweres Stück Arbeit gewesen, Jermyn hatte geflucht wie ein Fuhrknecht und Wag hatte ihm vorwurfsvolle Blicke zugeworfen.
    »Aber Patron, wie kannste so redn – vor 'nem Fräulein!«
    Ninian kicherte, als sie daran dachte. Sie hatte sich bis auf das Hemd ausgezogen und kletterte auf das Bett. Armer Wag – er hatte noch üblere Schimpfnamen eingeheimst für seine Mühe.
    Sie mochte ihn; er brachte sie mit komischen kleinen Geschichten zum Lachen und sein Vorrat an unterhaltsamem Klatsch schien unerschöpflich. Die Pflichten im Palast nahm er nicht besonders ernst, Putzen war unter seiner Würde und Waschen hasste er. Lieber trieb er sich in der Stadt herum. Da er aber schon des öfteren mit Jermyn aneinandergeraten war, weil die Wasseramphore leer oder kein sauberes Wäschestück zu finden war, suchte er beständig nach einem willigen Geschöpf, das ihm die ungeliebten Arbeiten abnahm. Bisher hatte er kein Glück gehabt, Jermyn lehnte alle Kandidaten ab, die er anschleppte. Niemand sollte seinen Schlupfwinkel ausspionieren – nur ein taubstummer Schwachsinniger hätte seinen Ansprüchen genügt.
    Wag hatte bald herausbekommen, dass Ninian ausgefallene Genüsse schätzte. Oft saßen sie an den langen warmen Abenden zu dritt auf den Trümmern des Innenhofes und Wag unterhielt sie mit merkwürdigen Leckerbissen und Klatschgeschichten. Wenn er dabei war, gab es kein befangenes Schweigen wie heute Mittag am Brunnen.
    Die Erinnerung daran ließ ihr keine Ruhe und nachdem sie sich eine Weile hin- und hergedreht hatte, warf sie die Decken zurück und stand auf. Als sie die unebenen Bohlen an ihren nackten Füßen spürte, stöhnte sie leise. In den vergangenen Wochen war sie mehr gelaufen als jemals zuvor in ihrem Leben. Die dunklen Viertel waren Jermyns Heimat, seine Kinderstube, aber er betrachtete ganz Dea als seinen Jagdgrund und bestand darauf, ihr jeden Winkel der großen Stadt zu zeigen. Reiten konnte und wollte er nicht. Als sie einmal sehnsüchtig hinter einem Berittenen hersah, der gemütlich seines Weges schaukelte, giftete er:
    »Pferde sind was für verweichlichte, fußkranke Schwächlinge.«
    »Ach ja? Wie, glaubst du, wär ich hergekommen, wenn ich kein Pferd gehabt hätte?«
    »Mit dem Ochsenwagen.«
    »Es war nur Zufall, dass Ely zur gleichen Zeit aufgebrochen ist. Zu Fuß wäre ich nicht rechtzeitig in Dea gewesen und du hättest mit Dubaqi bei Fortunagra einbrechen müssen.«
    Widerwillig hatte er zugegeben, dass Reiten für lange Strecken nützlich war, in der Stadt sei Laufen das einzig Wahre.
    Ninian hatte sich gefügt und schloss Bekanntschaft mit rundem Katzenkopfpflaster, geborstenen Steinfliesen, deren scharfe Ränder durch die Stiefelsohlen schnitten, spiegelglatten Marmorplatten und dem hartgestampften Lehmboden der ärmlichen Gassen, in den die Wagenräder tiefe Rillen gegraben hatten.
    »Bei Regen versinkst du hier knietief im Schlamm und es stinkt wie die Pest«, hatte Jermyn heiter erzählt und sie war dankbar für die sommerliche Trockenheit gewesen.
    Jetzt humpelte sie zu dem Mauerloch, schob das Gitter ein Stück beiseite und schlüpfte ins Freie. Die marmornen Trümmer schimmerten schwach und im Osten kündigte ein blassgoldener Streifen wieder einen heißen Sommertag an, aber noch war die perlgraue Dämmerung kühl. Ninian setzte sich auf einen herabgebrochenen Türsturz, zog die Füße unter das Hemd und blickte in den heraufsteigenden Morgen.
    Sie bereute nicht, dass sie Jermyn in die große Stadt gefolgt war. Das sorglose Leben, das sie hier führte, gefiel ihr. Ein Leben ohne Pflichten, ohne Aufgaben – sie lebten in den Tag hinein, ohne an morgen zu denken.
    Bei Tage wanderten sie durch die von Menschen wimmelnden Straßen und Gassen. Jermyn führte sie über weite Plätze und schmale Brücken, vorbei an den prunkvollen Häusern der Reichen und den hohen, schäbigen Behausungen der Armen, an ehrfurchtgebietenden Tempeln und Festungsbauten und an unzähligen Speisehäusern, Schenken, Badehäusern und Bordellen. Sie liebte die flüchtigen Mahlzeiten an den Garküchen, das bunte, lärmende Getriebe der Straßen. Dem Himmelsspiel und den Ringkämpfen in den Gladiatorenschulen, für die Jermyn sich begeisterte, konnte sie nichts abgewinnen und niemals begleitete sie ihn zu den Hahnenkämpfen in die geheimnisvollen

Weitere Kostenlose Bücher